Braune Zwerge

Kosmische Winzlinge sprengen unser astronomisches Weltbild

Ein Brauner Zwerg und sein Begleiter kreisen in der Nähe eines Mehrfach-Sternensystems. (Illustration) © NASA / Caltech

Sie sind zu klein und kalt um Sterne zu sein, aber zu warm und massereich für Planeten: Braune Zwerge. Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1995 geben sie den Astronomen immer neue Rätsel auf. Denn gerade in den letzten Jahren stießen die Forscher immer wieder auf „Fast-Sterne“, die alle gängigen Definitionen und Annahmen widerlegen. Die Frage: „Was ist ein Planet?“ ist seither offener denn je.

Noch vor gut 15 Jahren schien alles ganz einfach: Sterne waren massereiche, heiße, von selbst leuchtende Himmelskörper. Planeten dagegen galten als bloße Begleiter dieser Sonnen, kleinere, nur passiv das Sternenlicht reflektierende Objekte. Und auch die Abhängigkeiten schienen geklärt: Sterne gab es im Doppelpack oder einzeln, Planeten aber kreisten immer um einen Zentralstern.

Doch dann kam das Jahr 1995 und mit ihm die Entdeckung des ersten Braunen Zwergs, eines rätselhaften Objekts, das weder Stern noch Planet war. Seine Masse reichte nicht aus, um in seinem Inneren die Wasserstoff-Fusion – und damit das Sternenleuchten – in Gang zu bringen. Der Winzling glomm nur dunkel vor sich hin. Inzwischen kennen die Astronomen hunderte solcher Brauner Zwerge, fast wöchentlich werden neue entdeckt – und nahezu jeder Fund wirft weitere Fragen auf.

Die Astronomen stoßen auf immer kleinere, kältere und leichtere Objekte, so dass die Abgrenzung der Braunen Zwerge gegen Planeten nahezu unmöglich wird. Und dann gibt es da noch die Mini-Systeme: Staubscheiben und Planeten, die wie eine Miniaturausgabe des Sonnensystems um einen auch nur planetengroßen Zwerg kreisen. Auch zwei Pseudo-Planeten, die wie am Gummiband verbunden ganz allein durchs All trudeln, geben Rätsel auf…

Die Rekordhalter

Superlative im Reich der Braunen Zwerge

Der erste: Gliese 229B

Der Braune Zwerg Gliese 229B umkreist den 19 Lichtjahre von uns entfernten Roten Zwerg Gliese 229 . 1994 wurde er erstmals entdeckt, 1995 bestätigten weitere Aufnahmen und Daten seinen Status als substellares Objekt von 20 bis 50 Jupitermassen. Damit war er eindeutig zu klein, um eine Wasserstofffusion in seinem Inneren in Gang setzen zu können. Er gilt heute als Prototyp eines Braunen Zwergs der Spektralklasse T.

Der kleinste und leichteste: Cha 110913-773444

Cha 110913-773444 ist 1,8 Mal so groß wie der Gasplanet Jupiter und wiegt nur knapp das achtfache von diesem. Damit liegt er weit unter der von der Internationalen Astronomischen Union definierten Untergrenze für Braune Zwerge von 13 Jupitermassen. Was er stattdessen ist, ob Planemo oder „Sub-Brown Dwarf“, darüber wird noch diskutiert.

Der dichteste: COROT-Exo-3b

CoRoT-Exo-3b ist ein Brauner Zwerg, der in einer sehr engen Bahn um den 2.200 Lichtjahre von uns entfernten gelben Stern CoRoT-3 kreist. Er ist nur jupitergroß, wiegt aber gut das 20-fache des Gasriesen. Seine mittlere Dichte liegt damit bei gewaltigen 26.400 Kilogramm pro Kubikmeter – das ist doppelt so dicht wie Blei. Die Schwerkraft an seiner Oberfläche ist mehr als 50 Mal so stark wie auf der Oberfläche der Erde.

Der um den Stern Epsilon Indi A kreisende Braune Zwerg Epsilon Indi B (eingekreist) ist der unserem Sonnensystem am nächsten gelegene Vertreter seiner Art. Oben: Aufnahme im sichtbaren Licht des SuperCOSMOS Sky Survey (SSS), unten: Nahinfrarotaufnahme des Two Micron All Sky Survey (2MASS). © ESO/R.-D.Scholz et al. (AIP)

Der nächstgelegene: Epsilon Indi Ba, Bb

Der Stern Epsilon Indi liegt nur zwölf Lichtjahre von der Erde entfernt in der Konstellation Indus. 2003 entdeckten Astronomen, dass dieser Stern von zwei Braunen Zwergen begleitet wird. Beide gehören zur Spektralklasse T und besitzen die 47 und 28-fache Masse des Jupiter. Ihre Entfernung von Epsilon Indi ist mit 1.500 Astronomischen Einheiten extrem groß. Epsilon Indi Ba und Bb sind auch das erste Doppelsystem aus zwei Braunen Zwergen, das entdeckt wurde.

Der erste mit Exoplanet: 2MASS1207-3932

Der Braune Zwerg 2MASS1207-3932 besitzt die nur 24-fache Masse des Jupiter und wird von einem Planeten umkreist, der immerhin ein Fünftel seiner Masse besitzt. Dieser Exoplanet war der erste überhaupt, von dem ein Teleskop ein direktes Bild machen konnte und der damit ein ganz neues Feld der Planetenerforschung eröffnete

Der älteste: 2MASS 1626+3925

Dieser Braune Zwerg wurde bei einer Durchmusterung von Sternen in der Halo, der äußeren Hülle unserer Milchstraße entdeckt. Himmelskörper in diesem Bereich zählen meist zur zweiten Sternengeneration des Universums, die vor etwa zehn Milliarden Jahren entstand. Sie gehören damit zu den ältesten unserer Galaxie. Eines der Indizien für das hohe Alter von 2MASS 1626+3925 ist sein geringer Gehalt an „Metallen“, womit in der Astronomie alle chemischen Elemente bezeichnet werden, die schwerer als Helium und Wasserstoff sind.

Der dunkelste: 2MASS J09393548-2448279

Der Rekord für das lichtschwächste sternenähnliche Objekt im Universum geht an Zwillinge: ein Paar Brauner Zwerge, 17 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung der Konstellation Antlia. 2MASS J09393548-2448279 galt zuvor als ein einziger Brauner Zwerg, entpuppte sich aber dann als Paar. Jeder von ihnen strahlt nur mit einem Millionstel der Sonnenstrahlung und im Bereich des sichtbaren Lichts sogar nur mit einem Milliardstel.

Der kälteste: ULAS J133553.45+113005.2

Schon bei seiner Entdeckung war klar, dass dieser Braune Zwerg im Sternbild Jungfrau zur Klasse der extrem kühlen T-Zwerge gehört. Doch erst als Astronomen mit Hilfe des Spitzer-Weltraumteleskops erneut seine Infrarotausstrahlung untersuchten, stellte sich heraus, wie kalt der Zwerg wirklich ist: Gerade einmal 500 bis 550 Kelvin hat seine Oberfläche. Er gilt damit als der kühlste Braune Zwerg der T-Klasse, der bisher entdeckt worden ist.

Knapp verfehlt…

Braune Zwerge und die Sternenbildung

Ob ein hell leuchtender Stern entsteht oder aber „nur“ ein Brauner Zwerg, ein „verhinderter“ Stern, entscheidet sich schon bei ihrer Geburt .

Sternenwiege nahe Eta Carina in unserer Milchstraße © NASA/STScI

Sterne bilden sich nicht einzeln irgendwo im leeren Raum, sondern in gewaltigen Wolken aus Gas und Staub. Solche Sternenwiegen finden sich beispielsweise im bekannten Orionnebel oder auch in den Staubsäulen des Pferdekopfnebels. Durch die eigene Schwerkraft, manchmal auch durch Druckwellen von außen, fallen Bereiche dieser Wolken in sich zusammen und werden immer heißer und dichter. Dieser Kollaps gibt zunächst noch Energie in Form von Strahlung ab. Durch ihre eigene Masse komprimiert, bilden sich dann jedoch Klumpen von Wasserstoffgas und Staub, die so dicht sind, dass die Strahlung nicht mehr entweichen kann. Das Innere dieser Klumpen heizt sich immer stärker auf, die Atome rücken näher und näher zusammen.

Fusion: der Sternenmotor startet

Dann ist es plötzlich soweit: Die Temperatur im Klumpeninneren steigt auf mehr als fünf Millionen Kelvin. In diesem Höllenofen aus Hitze und Druck muss selbst die starke Abstoßung zwischen den Atomkernen klein beigeben: Sie beginnen zu verschmelzen und setzen dabei gewaltige Menge an Energie frei. Die Kernfusion ist gezündet – ein Stern ist geboren.

Die Fusion von Wasserstoffkernen zu Helium bildet den Brennstoff, der den neu entstandenen Himmelskörper für Milliarden Jahre am Leuchten halten wird. Im Kern unserer Sonne wandelt dieser stellare Fusionsreaktor in jeder Sekunde die gewaltige Menge von 564 Millionen Tonnen Wasserstoff zu Helium um. Gut vier Millionen Tonnen pro Sekunde werden dabei zu Strahlung und machen unseren Zentralstern zu dem gelb leuchtenden Zwergstern, der er noch einige Milliarden Jahre bleiben wird.

Wenn die Masse nicht reicht…

Soweit, so gut. Doch das Ganze kann auch schiefgehen. Dann nämlich, wenn die Gas- und Staubklumpen in den Sternenwiegen nicht genügend Materie enthalten. Erst ab knapp acht Prozent der Sonnenmasse, das entspricht etwa dem 75-fachen des Planeten Jupiter, reicht die Masse des Protostern-Klumpens aus. Nur dann entsteht in seinem Inneren genügend Hitze und Druck für die Zündung der Wasserstofffusion.

Aufbau eines sonnenähnlichen Sterns und eines Braunen Zwergs: Der normale Stern besitzt mehrere Schichten im Inneren, im Kern findet die Wasserstofffusion statt, darüber liegen Strahlungs- und Konvektionszone. Der Braune Zwerg ist zu klein und leicht für eine Schichtung oder die Wasserstofffusion. Sein Inneres wird vermutlich fast komplet durch Konvektionsströme umgewälzt. © NASA/MMCD

Was aber passiert, wenn die Masse nicht ausreicht? Dazu entwickelten Astronomen schon in den 1970er Jahren erste Theorien. Sie postulierten, dass ein besonderer Typ eines Himmelskörpers, ein „Schwarzer“ oder „Brauner Zwerg“ entstehen müsse, wenn ein Materieklumpen bei der Sternenbildung nur zwischen 13 und knapp 75 Jupitermassen zusammenballt.

Druck und Temperatur in seinem Inneren genügen dann zwar nicht mehr für eine Wasserstofffusion, wohl aber für eine andere Art der Kernverschmelzung, die Deuteriumfusion. Dabei verbindet sich der aus einem Proton und einem Neutron bestehende „schwere Wasserstoff“ mit einem weiteren Proton zu einem Helium-3-Kern. Auch dabei wird Strahlungsenergie erzeugt, aber deutlich weniger als bei der Wasserstofffusion.

Brauner Zwerg als Infrarotlicht-Funzel

Der so gebildete junge Braune Zwerg leuchtet daher nicht gelblich oder weißlich wie unsere Sonne, sondern dunkelrot-braun. Einen Großteil seiner Strahlung gibt er nicht als sichtbares Licht oder noch energiereichere Wellen ab, sondern als Infrarotlicht, als Wärmestrahlung. Seine Oberflächentemperatur liegt unterhalb von 1.800 Kelvin, die als stellare Minimaltemperatur gelten.

Und selbst diese eher funzelige Leuchtphase ist nicht von langer Dauer. Denn sein Brennstoff Deuterium ist in den Gaswolken der Sternenwiegen sehr selten, natürlicherweise liegt sein Anteil gemessen am „normalen“ Wasserstoff bei nur 0,015 Prozent. Dementsprechend schnell ist der Deuteriumvorrat im jungen Himmelskörper erschöpft, nach nur wenigen Millionen Jahren erlischt das Deuteriumfeuer. Ab jetzt kühlt der Braune Zwerg langsam ab und wird dabei immer dunkler und strahlungsschwächer.

Soweit die Theorie. Doch belegen konnte man dieses Gedankengebäude mehr als 20 Jahre lang nicht.

Die Entdeckung

Der erste eindeutige Braune Zwerg: Gliese 229b

Bis 1995 nur theoretisch postuliert: Brauner Zwerg, hier mit Begleiter © NASA/ JPL-Caltech

Wir schreiben das Jahr 1988. Die Astronomen Ben Zuckerman und Eric Becklin von der Universität von Kalifornien in Los Angeles suchen die Nadel im Heuhaufen: Unter allen leuchtenden Sternen des Nachthimmels fahnden sie mit Hilfe eines Infrarotteleskops ausgerechnet nach den lichtschwächsten, kleinsten und unscheinbarsten Objekten, die der Kosmos zu bieten hat. Denn sie suchen Braune Zwerge. Bisher hat noch niemand diese theoretisch postulierten „Fast-Sterne“ gefunden, doch sie geben nicht auf. Beim Stern GD 165, einem Weißen Zwerg, stoßen sie dann tatsächlich auf ein seltsames Phänomen. GD 165 sendet mehr Infrarotstrahlung aus, als für seinen Typ normal. Die Astronomen schauen genauer hin und schnell wird klar, dass diese Wärmesignatur nicht von ihm, sondern von einem zuvor unbekannten, sehr dunklen Begleiter stammen muss.

Wäre dies ein Brauner Zwerg, wäre die Sensation perfekt. Doch noch ist nicht klar, was die beiden Astronomen da eigentlich entdeckt haben. Das Objekt leuchtet zwar eindeutig im sehr dunkelroten Bereich und scheint damit deutlich kühler zu sein als alle bisher bekannten Zwerg-Sterne des M-Typs. Aber die technischen Möglichkeiten der ersten Generation von Infrarotdetektoren reichen nicht aus, um Masse, Temperatur und chemische Komposition des Objekts näher zu bestimmen. GD 165 gilt daher zwar als neue Art von Zwergensternen, als Prototyp der so genannten „L-Zwerge“, aber der so lange gesuchte Beleg für die Existenz eines Braunen Zwerges ist er nicht.

Fund im Sternbild Hase

Aufnahme des Braunen Zwergs, Gliese 229B, durch das Palomar Observatorium im Oktober 1994 (links) und das Weltraumteleskop Hubble gut ein Jahr später (rechts) © NASA/ Caltech / JHU

Dieser Beweis gelingt erst knapp sieben Jahre später einen Astronomenteam vom California Institute of Technology (Caltech) und der Johns Hopkins Universität. Ihre Suchstrategie ist es, systematisch die Umgebung von Sternen abzusuchen, die nicht älter sind als eine Milliarde Jahre. Denn innerhalb dieses Zeitraums, so ihre Theorie, wären Braune Zwerge noch nicht so stark abgekühlt und damit besser als schwache Infrarotsignale erkennbar.

Dementsprechend richten sie ihr 1,5 Meter-Teleskop auf dem Mount Palomar auch auf Gliese 229, einen schwachen roten Zwergstern im Sternbild Hase, rund 18 Lichtjahre von der Erde entfernt. Anhand der Aufnahmen erkennen sie, dass der Rote Zwerg nicht allein ist, auch er hat einen Begleiter, der ihn in rund 40 Jahren einmal umkreist.

Verräterische Methanlinien im Spektrum

Im Gegensatz zu ihren Kollegen Becklin und Zuckerman können die Astronomen mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble sowie des Fünf-Meter-Infrarotteleskops auf dem Mount Palomar mehr über die Natur dieses Begleiters herausfinden. Entscheidende Hinweise gibt vor allem ein Spektrum im Nahinfrarotbereich. Die Masse des Objekts entpuppt sich als erster Grund zur Freude: Sie liegt bei nur rund 20 bis 50 Jupitermassen, also deutlich unter der für Sterne üblichen Grenze.

Brauner Zwerg des T-Typs, für den Gliese 229B als Prototyp gilt. Er ist durch Methanbanden im Spektrum und Temperaturen unter 1.200°C gekennzeichnet. © IPAC / Caltech, Robert hurt

Doch es wird noch besser: Im Infrarotspektrum des Objekts sind deutlich sichtbare Absorptionsbanden des Moleküls Methan zu erkennen – eine chemische Verbindung, die bisher nur in der Atmosphäre von Gasriesen wie dem Jupiter und auf dem Saturnmond Titan nachgewiesen worden ist. In den weit mehr als 1.800°C heißen Sternen dagegen kann Methan nicht existieren, da es schon bei Temperaturen von mehr als 1.200°C zerfällt. Damit ist klar: Gliese 229B, wie der Begleiter getauft wird, kann kein Stern sein. Die Temperaturen an seiner Oberfläche liegen bei gerade einmal 700°C, wie Daten des Weltraumteleskops Hubble belegen.

„Alle unsere Beobachtungen sind mit der Theorie der Braunen Zwerge konsistent“, erklärt Sam Durrance von der Johns Hopkins Universität bei der Veröffentlichung der Daten im Jahr 1995. Er und seine Kollegen sehen in Gliese 229B eindeutig den Prototypen einer neuen Spektralklasse von kosmischen Objekten, einen Braunen Zwerg des „T-Typs“.

Fast ein Double des Jupiter

„Dies ist das erste Mal, dass wir jemals ein Objekt außerhalb unseres Sonnensystems beobachtet haben, dessen Spektrum so erstaunlich dem eines planetaren Gasriesen gleicht“, erklärt Shrinivas Kulkarni vom Caltech. „Es sieht aus wie Jupiter, aber das ist genau das, was wir von einem Braunen Zwerg erwarten würden.“ Neben dem Methan zeigen die Infrarotbanden auch Signale von Wasser, molekularem Wasserstoff, Natrium und Kalium – alles Verbindungen, wie sie typisch sind für die Atmosphäre von Gasplaneten.

Doch genau das ist das Problem: Während Temperatur, Masse und Methanbanden Gliese 229B eindeutig als „Nicht-Stern“ klassifizieren, ist die Abgrenzung von einem großen Planeten weniger eindeutig.

Mitten in der „Wüste“

Rätsel um CoRoT-Exo-3b

Seit der Entdeckung von Gliese 229b sind dank der immer besseren Infrarotdetektoren und Teleskop-Optiken mehr als 400 Braune Zwerge der leuchtstärkeren L-Klasse nachgewiesen worden und rund 60 der schwächeren und kleineren T-Klasse, zu der auch Gliese 229B gehört. Vor allem die systematische Himmelsdurchmusterung des „Two Micron All Sky Survey“ (2MASS) hat entscheidend zu diesen Funden beigetragen.

Größen- und Farbvergleich von Sonne, Zwergen des M-, L- und T-Typs und dem Planet Jupiter. Links die Sonne als Vergleich, dann folgen ein massearmer Stern (später M-Zwerg), ein heißerer Brauner Zwerg des L-Typs und ein Brauner Zwerg des kälteren T-Typs. Ganz außen rechts der Planet Jupiter. Obwohl die Zwerge 75,65 und 30 Jupitermassen schwer sind, haben sie alle in etwa die gleiche Größe – die des Gasplaneten Jupiter. Im sichtbaren Licht erscheinen M-Zwerg und L-Brauner Zwerg rötlich, der Braune Zwerg des T-Typs eher dunkelrotbraun, da er kaum Licht abgibt. © IPAC/ Caltech, Robert Hurt

Die Unterscheidung der helleren Braunen Zwerge von lichtschwachen „normalen“ Sternen ist durch ihre charakteristischen Spektralbanden inzwischen meist relativ klar, schwieriger ist es jedoch mit der Abgrenzung gegenüber großen Planeten. Denn gerade in letzter Zeit stoßen die Astronomen immer wieder auf Objekte, die die bisherigen Kriterien und vermeintlichen Minimalwerte über den Haufen werfen.

Verräterischer Transit

So auch im Jahr 2008, als das Weltraumteleskop CoRoT (Convection, Rotation and Planetary Transits) im Orbit um einen sonnenähnlichen Stern einen weiteren potenziellen Braunen Zwerg aufspürt. Doch dieser ist so seltsam, dass Astronomen bis heute darüber streiten, was sie da eigentlich genau entdeckt haben.

Verraten hat sich das Objekt zunächst durch seine Schwerkraft, die den rund 2.200 Lichtjahre von uns entfernten Stern CoRoT-3 ganz leicht hin und her schwanken lässt, je nach Position des Begleiters. Diese winzigen Taumelbewegungen machen sich im Spektrum des Sterns als wechselnde Verschiebungen bemerkbar. In weiteren Beobachtungen, auch durch bodengestützte Teleskope, haben die Astronomen aber auch direkte Transits registriert: Alle vier Tage und sechs Stunden zieht der unbekannte Begleiter auf seiner engen Bahn vor seinem Zentralstern CoRoT-3 vorbei und dunkelt dabei dessen Licht ein wenig ab.

Doppelt so dicht wie Blei

Vergleich von Sonne, CoRoT-Exo-3b und Jupiter © OAMP

Dieser Transit ermöglicht die genauere Bestimmung von Größe und Masse des Begleiters und sorgt für eine Sensation: Denn CoRoT-Exo-3b, so die Bezeichnung des Objekts, ist nur jupitergroß, wiegt aber gut das 20-fache des Gasriesen. Seine mittlere Dichte liegt damit bei gewaltigen 26.400 Kilogramm pro Kubikmeter – das ist doppelt so dicht wie Blei. Die Schwerkraft an seiner Oberfläche ist mehr als 50 Mal so stark wie auf der Oberfläche der Erde. Wäre CoRoT-Exo-3b ein Planet, wäre er der dichteste jemals entdeckte seiner Art. Aber was genau ist er?

Rein von seiner Masse her könnte CoRot-3b knapp zur Klasse der Braunen Zwerge gehören, denn laut bisheriger Definition der Internationalen Astronomischen Union (IAU) sind Objekte von 13 Jupitermassen aufwärts Braune Zwerge, weil ab dann zumindest zeitweilig eine Deuteriumfusion im Inneren stattfinden kann. Alles darunter sind Exoplaneten.

In der „Wüste“ der Braunen Zwerge

Aber trotzdem passt CoRot-3b nicht so richtig: Denn in einer so engen Bahn um einem anderen Stern hat man bisher noch nie einen Braunen Zwerg entdeckt. Diese Zone galt deshalb bisher sogar als „Wüste“ für Braune Zwerge, als „Brown dwarf desert“. „Es war eine Überraschung einen Begleiter dieser Masse so nahe bei seinem Mutterstern zu finden“, erklärt Magali Deleuil vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille (LAM). „CoRoT-Exo-3b ist ein einzigartiges Objekt, deshalb wird seine Natur debattiert.“

Denn möglicherweise ist CoRoT-Exo-3b doch kein Brauner Zwerg, sondern „nur“ ein besonders großer Exoplanet. Denn im Gegensatz zu „Fast-Sternen“ kreisen diese sehr oft in engen Umlaufbahnen um ihre Zentralsterne und sie kommen mittlerweile in punkto Masse fast an die kleineren Braunen Zwerge heran. So umkreist das ebenfalls rund jupitergroße Schwergewicht XO-3b seinen Stern in nur 3,2 Tagen – und bringt dabei immerhin knapp das Zwölffache des Jupiter auf die Waage. Weitere Exoplaneten schaffen es immerhin auf acht und knapp neun Jupitermassen.

© MMCD

Für eine Abgrenzung hilft auch das Spektrum von CoRoT-Exo-3b nicht viel weiter, denn in ihrer Chemie ähneln sich die Gasriesen unter den Planeten und Braune Zwerge der T-Klasse fast wie ein Ei dem anderen. Um das Ganze noch komplizierter zu machen, strahlen auch große Gasplaneten mehr Wärme ab, als sie von ihren Sonnen erhalten. Selbst bei Saturn und Jupiter in unserem Sonnensystem ist dies der Fall. Das schwache Infrarotleuchten von CoRoT-Exo-3b muss daher nichts heißen, zumindest nichts in Richtung Brauner Zwerg.

Super-Exoplanet oder Brauner Zwerg?

„CoRoT-Exo-3b könnte sich als seltenes Objekt herausstellen, auf das wir durch schieres Glück gestoßen sind“, erklärt Francois Bouchy vom Institut d’Astrophysique de Paris. „Aber es könnte auch ein Mitglied einer neuentdeckten Familie von sehr massereichen Planeten sein, die massereichere Sterne als unsere Sonne umkreisen.“ Seiner Ansicht nach könnte es sein, dass die maximal mögliche Masse eines Planeten direkt von der Masse seines Zentralsterns abhängt: „Je massereicher der Stern, desto massereicher auch der Planet“, so Bouchy.

Noch ist der Status von CoRoT-Exo-3b ungeklärt, er bleibt vorerst im Niemandsland zwischen superschwerem Exoplanet und superleichtem Braunen Zwerg gefangen. Doch der Kosmos hat damit seinen Vorrat an Rätselobjekten in diesem Grenzbereich noch lange nicht ausgeschöpft.

Rittlings auf der Grenze

AB Pictoris B und die Frage nach der Entstehung

Aufnahme des durch eine Maske abgedeckten Sterns AB Pictoris mit seinem winzigen Begleiter (links unten). Das Bild stammt vom Instrument NACO am Very Large Telescope der ESO auf dem Paranal. © ESO

Im April 2005 entdeckte ein europäisch-amerikanisches Astronomenteam ein Objekt, das nicht nur fast, sondern haargenau „rittlings“ auf der von der IAU definierten Grenze zwischen Braunen Zwergen und Exoplaneten sitzt: Der dunkle Begleiter des rund 150 Lichtjahre entfernten Sterns AB Pictoris ist genau 13 Jupitermassen schwer. Die spektroskopischen Daten ordnen AB Pictoris B eindeutig einem substellaren Objekt, also einem Planeten oder Braunen Zwerg zu, aber welchem von beiden?

Genau wegen dieser Frage und seiner einzigartigen Position auf der Grenze sehen die Astronomen in dem „Vielleicht-Braunen Zwerg“ eine Art Rosetta-Stein – eine wichtige Hilfe auf dem Weg zur Entschlüsselung des kosmischen Rätsels. Denn wenn für AB Pictoris B geklärt würde, was genau er ist, dann wäre das Problem vermutlich auch für alle anderen Objekte dieser Art gelöst. Doch noch ist es nicht soweit. Klar scheint nur eines: Die Größe allein reicht als Kriterium nicht aus.

Eine Frage der Entstehung

„Es gibt zwei Lager, wenn es um die Abgrenzung von Planeten gegenüber Braunen Zwergen geht“, erklärt Giovanni Fazio vom Smithsonian Center für Astrophysics im gleichen Jahr in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal Letters“. „Die einen gehen nach der Größe und die anderen danach, wie sich das Objekt gebildet hat.“

Junger Stern, um den sich ein Planetensystem bildet (künstlerische Darstellung). © ESO

Theoretisch können Begleiter von Sternen auf drei Arten entstehen: Materie in einer Staubscheibe um einen Stern ballt sich zusammen und bildet allmählich einen Gesteinsplaneten der zehnfachen Erdgröße, der dann nachträglich eine große Gashülle „einsammelt“. Oder aber – zweites Szenario – ein Gasklumpen innerhalb dieser Akkretionsscheibe kollabiert und bildet direkt einen Gasriesen. Und als letztes Szenario: Es gibt keine protoplanetare Akkretionsscheibe, der Begleiter entsteht gleichzeitig mit dem Zentralstern und wie dieser direkt aus einer kollabierenden Gas- und Staubwolke. In den ersten beiden Fällen würde es sich gängiger Ansicht nach um einen Planeten handeln, im dritten Fall aber um einen Stern – oder aber einen Braunen Zwerg.

Wie aber sah die Entstehung von AB Pictoris B aus? Diese Frage stellten sich auch Gael Chauvin von der Europäischen Südsternwarte (ESO) und ihre Kollegen. Ein wichtiges Indiz lieferte die Umlaufbahn des Objekts. Mit einer Entfernung von 260 Astronomischen Einheiten (AU) ist AB Pictoris B mehr als neun Mal so weit von seinem Zentralstern entfernt wie der Neptun von der Sonne – und damit ein ziemlicher Sonderling:

Sonderling auf weiter Bahn

„In sehr nahen Umlaufbahnen von weniger als vier Astronomischen Einheiten zeigen die gefundenen Objekte meist eine Bandbreite von zwischen zehn und einer Jupitermasse“, erklären die Forscher in ihrer Veröffentlichung. „Unsere Durchmusterung von rund 50 Sternen in mehr als 80 AU Entfernung und hinunter bis zu zwei Jupitermassen hat jedoch nur einen einzigen möglichen Begleiter von Planetenmasse ergeben: AB Pictoris B. Auch andere hochauflösende Kartierungen von jungen Sternen im Nahinfrarotbereich, beispielsweise durch die Keck-Teleskope auf Hawaii oder das Weltraumteleskop Hubble, haben in solchen Entfernungen keine planetenähnlichen Objekte gefunden.“

Materiescheibe zu klein?

Nach Ansicht der Astronomen könnte dies schlicht daran liegen, dass sich in solchen Entfernungen einfach keine Planeten mehr bilden können. Die protoplanetare Gas- und Staubscheibe, die sozusagen das Nährmedium für die heranwachsenden Planeten bildet, reicht bei den meisten Sternen nicht so weit hinaus oder ist im Außenbereich nicht mehr dicht genug. Die Bedingungen erlauben daher dort kein allmähliches Zusammenballen von Materie nach dem üblichen Muster – und dies schon gar nicht bei einem so jungen Stern wie AB Pictoris, der mit gerade einmal 30 Millionen Jahren noch zu den stellaren „Teenagern“ gehört.

Daraus folgt für Chauvin und Co.: AB Pictoris B kann nicht durch den normalen Prozess der Planetenbildung entstanden sein. Stattdessen ist er vermutlich das Resultat des gleichen Prozesses, der auch seinen Zentralstern schuf: der Kollaps einer interstellaren Gas- und Staubwolke.

Kleiner als ein Planet…

…und trotzdem ein Brauner Zwerg?

Was ist das?: Es liegt rund 460 Lichtjahre von der Erde entfernt, wiegt rund fünf bis zehn Jupitermassen und umkreist seinen Zentralstern in einem Abstand von 3,6 Milliarden Kilometern, dies entspricht etwa der Entfernung des Saturn von der Sonne. Normalerweise wäre die Antwort auf diese Frage eindeutig und einhellig: ganz klar, ein Exoplanet.

Doppelsystem 2M J044144 mit Braunem Zwerg inmitten seiner Staubscheibe und rätselhaftem Begleiter © NASA/ ESA/ K. Todorov K. Luman/ Penn State University

Doch im Falle des Objekts, das um 2MASS J044144 kreist, gibt es ein Problem, wie ein Team von Astronomen im April 2010 feststellen musste. Die Forscher hatten mit Hilfe des Hubble Weltraumteleskops und des Gemini Observatoriums 32 Braune Zwerge in der Sternenbildungsregion Taurus im Sternbild Stier näher untersucht. Um den Braunen Zwerg 2MASS J044144 entdeckten sie die Signatur eines Begleiters, der alle Anforderungen eines Exoplaneten zu erfüllen schien. Nichts ungewöhnliches, da sich Braune Zwerge inzwischen schon häufiger als Mittelpunkt eines Planetensystems entpuppt hatten.

Zu jung für „übliche“ Planetenbildung

Doch die Analysen der Bilddaten enthüllten, dass der Braune Zwerg erst eine Million Jahre alt ist – und daher auch sein Begleiter nicht älter sein kann. Das ist für ein kosmisches Objekt gerade mal Säuglingsalter – und viel zu wenig Zeit für das übliche Szenario der Planetenbildung in einer Akkretionsscheibe. Selbst die „Überholspur“, durch die manche Gasplaneten entstehen, der Kollaps eines Gasklumpens in der Staubscheibe, scheidet in diesem Falle aus. In der Umgebung des Braunen Zwergs ist dafür zu wenig Staub und Gas vorhanden.

Damit bleibt auch in diesem Falle, wie schon bei AB Pictoris B, nur die dritte Möglichkeit, die Bildung „auf Sternenart“: gemeinsam mit dem Zentralstern des Systems. Wie bei Doppelsternen üblich hätte sich dann die „Urwolke“ in der Sternenwiege zunächst in zwei Teile geteilt und wäre dann durch Gravitationskollaps zu zwei getrennten stellaren Objekten umgewandelt worden – in 2MASS J044144 und seinen Begleiter.

Sternenbildung im Vierer-Pack?

Hubble-Aufnahme des Braunen Zwergs 2M J044144 (links) und seines Begleiters (rechts) © NASA/ ESA/ K. Todorov/ K. Luhman/ Penn State University

Tatsächlich gibt es nach Ansicht der Astronomen ein weiteres Indiz dafür, dass sich dies so abgespielt haben könnte: Nahebei existiert ein weiteres Doppelsternsystem aus einem Roten und einem Braunen Zwerg. Nach Ansicht der Astronomen könnte sich dieses System gemeinsam mit dem untersuchten in einem einzigen Kollaps der Entstehungswolke gebildet haben.

„Die Konfiguration ähnelt sehr Quadrupel-Sternensystemen, was darauf hindeutet, dass alle seine Komponenten wie Sterne entstanden sind“, erklärt Kevin Luhman vom Zentrum für Exoplaneten der Penn State Universität. „Die interessanteste Implikation dieses Ergebnisses ist der Beleg, dass die Prozesse, die Doppelsterne entstehen lassen, bis in die Massenbereiche der Braunen Zwerge hinunterreichen. Es scheint, dass die Natur Begleiter von Planetengröße auf zwei unterschiedliche Weisen erzeugen kann.“

Rätselobjekt sprengt astronomische Definitionen und Grenzen

Sollte sich dies bestätigen, wäre der Begleiter von 2MASS J044144 gleich aus zwei Gründen eine astronomische Sensation: Zum einen wäre er wegen seiner Entstehung per Definition kein Planet, sondern ein Stern oder Brauner Zwerg – trotz seiner geringen Masse. Zum anderen aber wäre 2MASS J044144 damit der masseärmste Braune Zwerg, der bisher entdeckt worden ist. Mit seinen fünf bis zehn Jupitermassen liegt er weit unter den schwersten bekannten Exoplaneten wie XO-3b und auch weit unter der von der Internationalen Astronomischen Union definierten Untergrenze für Braune Zwerge von 13 Jupitermassen.

Damit ist klar: Die Realität hat alle bisherigen Definitionsversuche längst überholt. Heute scheint unklarer denn je, wo Planeten aufhören und Braune Zwerge anfangen oder umgekehrt.

Die Erfindung der „Planemos“

Von Mini-Sonnensystemen und Rätselpaaren

Früher war das System der kosmischen Objekte noch einfach und geordnet, für jeden Typ gab es eine Schublade. Doch seit der Entdeckung der Braunen Zwerge passt plötzlich alles nicht mehr so recht. Immer häufiger stoßen Astronomen auf Objekte, die gegen alle Regeln verstoßen. 2005 schließlich führte eine solche Entdeckung sogar dazu, dass eine völlig neue astronomische Kategorie aufgemacht wurde.

Auslöser war das Objekt Cha 110913-773444: Mit nur acht Jupitermassen liegt es weit unterhalb der offiziellen Untergrenze für substellare Objekte und eigentlich mitten im Bereich der Planeten. Aber für einen Planeten fehlt dem nur zwei Millionen Jahre jungen Zwerg ein Zentralstern, er kreist stattdessen allein in einem Raumbereich rund 500 Lichtjahre von der Sonne entfernt im Sternbild Chamäleon.

Baby-Planetensystem um Pseudo-Planeten?

Größenvergleich eines Mini-Planetensystems um den nur acht Jupitermassen schweren Braunen Zwerg Cha 110913-773444 mit unserem Sonnensystem. Astronomen vermuten, dass die nachgewiesene Staubscheibe um den Braunen Zwerg ausreicht, um in Zukunft einen Gasriesen und mehrere erdähnliche Gesteinsplaneten hervorzubringen. © NASA/ JPl-Caltech

Wirklich allein? Nicht ganz, wie Astronom Kevin Luhman von der Pennsylvania State Universität und Kollegen im Jahr 2005 anhand von Infrarotaufnahmen des Spitzer Weltraumteleskops der NASA feststellten. Denn der Gasball von nur 1,8facher Jupitergröße ist von einer Staubscheibe umgeben, die bei größeren Sternen als typisches Anzeichen für sich bildende Planeten gilt. Und es ist nicht die erste protoplanetare Scheibe um einen Braunen Zwerg. Das Spitzer-Teleskop hat allein in den letzten Jahren bereits Dutzende solcher Staubscheiben um „verhinderte Sterne“ in verschiedenen Stadien der Planetenbildung auf frischer Tat ertappt. In fünf von ihnen waren bereits deutlich die auskristallisierten Vorformen von Protoplaneten zu erkennen.

„Unser Ziel war es, die kleinste ‚Sonne‘ mit Indizien für eine Planetenbildung zu finden“, erklärt Luhman. „Hier haben wir eine Sonne, die so klein ist, dass sie nur die Größe eines Planeten hat.“ Und genau das machte Cha 110913-773444 extrem ungewöhnlich. Es war schon seltsam genug, dass der Zwerg munterseelenallein durch das All flog, dass er aber obendrein auch noch das Zentrum eines entstehenden Mini-Planetensystems bildete, das sprengte einfach alle bestehenden Vorstellungen. Wäre der Zwerg ein Planet, müssten die neu entstehenden Objekte in seinem Orbit folglich als Monde bezeichnet werden. Wäre er ein Brauner Zwerg und damit ein „verhinderter Stern“, dann handelte es sich um Planeten. Aber beide Varianten ließen sich nicht so recht mit existierenden Definitionen vereinbaren.

Planemo als Kategorie für „Zwischenformen“

Die Entdeckung löste prompt eine Grundsatzdebatte in der astronomischen Forschergemeinschaft aus. Die große Frage war: Was sollte man mit solchen Objekten machen, wo sollten sie eingeordnet werden. Sie passten einfach nicht in die bestehenden Schubladen. „Wenn es keine gibt, dann müssen wir sie eben erschaffen“ – nach diesem Motto schlug der Astronom Ray Jayawardhana von der Universität von Toronto kurzerhand vor, für diese Ausnahmeerscheinungen eine ganz neue astronomische Kategorie zu erschaffen, das „Planemo“.

So könnte ein System aus zwei jungen, von Staubscheiben umgebenen Planemos aussehen. Im realen System Oph 1622 liegen die beiden Himmelskörper allerdings sehr viel weiter auseinander als hier dargestellt. © ESO

Nach dieser Definition sind Planemos alle Objekte planetarer Masse, die keinen Stern begleiten und einerseits groß genug sind, um durch die eigenen Schwerkraft zur Kugelform zusammengeballt zu werden, andererseits aber zu klein, um Fusionsprozesse in ihrem Inneren in Gang zu setzen. Kaum war diese Ergänzung der astromischen „Schubladen“ beschlossen, stießen die Astronomen auf immer mehr Vertreter dieser neuen Zwischengruppe. Inzwischen sind mehr als ein Dutzend solcher Objekte bekannt.

„Doppel-Planemo“ torpediert Theorie

2006 aber drohte eine neue Entdeckung die frisch gebackenen Theorien über die Entstehung von Planemos direkt wieder zu torpedieren. Mit Hilfe der Teleskope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile waren Forscher in der 400 Lichtjahre entfernten Sternenwiege Ophiuchus nicht nur auf ein, sondern gleich auf zwei Planemos gestoßen. Die Objekte von sieben und 14 Jupitermassen waren jedoch nicht isoliert, sondern umkreisten einander in extrem weitem Abstand: sechs Mal größer als der zwischen Sonne und Pluto. Optische Spektren und Infrarotbilder belegten, dass es sich bei dem nur knapp eine Million Jahre alten kosmischen Pärchen nicht um Sterne handeln konnte, sie waren dafür einfach zu kalt.

Nahinfrarotbild des Systems Oph 162225-240515AB, aufgenommen vom ISAAC-Instrument am Very Large Telescope der ESO in Chile. Beide Objekte liegen weniger als zwei Bogensekunden auseinander, das entspricht bei einer Entfernung von 400 Lichtjahren rund 242 AU. © ESO

„Wir widerstehen der Versuchung, sie als ‚Doppelplanet‘ zu bezeichnen, weil sie wahrscheinlich nicht auf die gleichen Weise entstanden, wie die Planeten beispielsweise in unserem Sonnensystem“, erklärt ESO-Astronom Valentin D. Ivanov. Aber das gängige Modell der Planemo-Bildung passte leider auch nicht. Denn der Theorie nach sollen kleine Braune Zwerge und Planemos aus Sternenembryonen entstehen, die aus Mehrfach-Sternensystemen ausgeschleudert werden, bevor ihre Entwicklung abgeschlossen ist. Doch das Zweiersystem Oph 1622 hätte eine solche chaotische „Sturzgeburt“ nicht überleben können, zu schwach ist ihre Schwerkraftbindung aneinander, zu weit ihr Abstand.

„Die jüngsten Entdeckungen haben eine erstaunliche Vielfalt von Welten dort draußen enthüllt“, erklärt Jayawardhana. „Aber das Oph1622-Paar sticht heraus als das spannendste und seltsamste.“ Sein Kollege Ivanov ergänzt. „Jetzt sind wir neugierig herauszufinden, ob solche Paare häufig oder selten sind. Die Antwort könnte Licht darauf werfen, wie sich freischwebende Objekte von planetarer Masse bilden.“

Metallwolken und Eisenregen

Wie sieht es auf der Oberfläche eines Braunen Zwergs aus?

Aber nicht nur die rätselhaften Planemos des „Zwischenreichs“, auch die „normalen“ Braunen Zwerge haben noch immer einiges an Überraschungen zu bieten. Denn an ihrer Oberfläche geht es alles andere als ruhig zu. Stattdessen toben dort Stürme, die selbst den Großen Roten Fleck auf dem Jupiter und alle irdischen Hurrikans zusammen weit in den Schatten stellen.

Entdeckt haben dies 2008 die Astronomen Adam Burgasser und Katharina Lodders vom Labor für planetare Chemie an der Washington Universität in St. Louis. Sie nutzten die Daten von Infrarotteleskopen und mathematische Modelle um zu erforschen, was sich an der Oberfläche der im Laufe ihres Lebens allmählich auskühlenden Braunen Zwerge abspielt.

Regentropfen aus flüssigem Eisen

Brauner Zwerg des L-Typs, in dem vielleicht noch die Deuteriumfusion für Wärme sorgt. © IPAC / Caltech, Robert Hurt

Aus den Infrarotspektren ist bekannt, dass die Atmosphäre der „verhinderten Sterne“ vor allem Gase, darunter auch Eisen und Silikate, enthält. Bei Temperaturen um 2.000°C, wie sie für sehr junge Braune Zwerge in der Phase der Deuteriumfusion typisch sind, liegt das Eisen im gasförmigen Zustand vor. Doch das bleibt nicht so, wie die Modellrechnungen jetzt enthüllten. Kühlt der glühende Gasball ab, kondensiert dieses Eisen und bildet dichte Wolken und Tropfen von flüssigem Eisenregen. „Wir verbinden Wolken immer mit Planeten wie Erde oder Jupiter, es ist daher ziemlich seltsam, sich eine Wolke auf einem Stern vorzustellen“, so Burgasser. Und aus diesen Wolken regnet es nicht nur ein paar Eisentropfen, es schüttet in sturmgepeitschten Starkregengüssen.

Rätselhafte Wärmeschübe

Das zeigte sich, als Burgasser und seine Kollegen in den Teleskopdaten auf eine Ungereimtheit stießen: Eigentlich müssten Braune Zwerge im Infrarotlicht umso dunkler erscheinen, je älter sie sind und je stärker sie abkühlen. Doch in vielen Fällen war es genau umgekehrt, die älteren, kühleren Zwerge leuchteten oft heller als die jungen. Aber warum? Nach Ansicht der Forscher gibt es dafür nur eine Erklärung: gewaltige Turbulenzen in der Atmosphäre, mit anderen Worten Stürme.

Jupiters Stürme: Temperaturen und Wolkenfarben © ESO

„Diese Braunen Zwerge sind viel heller als sie sein sollten, und die einzige Möglichkeit, wie das passieren kann, ist etwas, das die Wolken schnell verschwinden lässt“, so Burgasser. Denn die kondensierenden Eisenwolken schirmen einen Teil der Wärme aus dem Inneren des Braunen Zwergs ab und dämpfen damit seine Strahlung. Wenn aber Stürme diese Wolken zerstreuen und zum heftigen Abregnen bringen, dann ist der „Himmel“ klar und die heißere Oberfläche des verhinderten Sterns liegt wieder frei.

Mega-Stürme als Wolkenvernichter

Zwar regnen die Wolken auch von alleine im Laufe der Zeit ihre Eisenfracht als „Regen“ ab, dieser Prozess dauert jedoch nach Schätzungen der Wissenschaftler nahezu eine Milliarde Jahre. Die beobachteten „Wärmeschübe“ dagegen ereignen sich dagegen hundert Mal so schnell, vermutlich innerhalb von gerade einmal zehn Millionen Jahren. Vermutlich kommt es immer dann zu solchen „Sturmphasen“, wenn sich die Eisenwolken abkühlen und dadurch in bewegtere Bereiche der Sternenatmosphäre absinken.

Noch allerdings gibt es dazu reichlich offene Fragen und auch eine Bestätigung per Teleskopaufnahme steht noch aus. „Wir haben noch keine Teleskope, die stark genug sind um die Oberfläche dieser Objekte aufzulösen“, so Burgasser. „Deshalb gibt es keine Möglichkeit, die Wolken auf Braunen Zwergen direkt zu beobachten.“ In den nächsten zehn bis 15 Jahren aber, so schätzt der Forscher, könnte sich dies ändern. Und dann, so ist er sich sicher, warten noch einige Überraschungen auf uns.

Die dunklen Zwillinge

Zwei Braune Zwerge als dunkelste und kälteste stellare Objekte des Kosmos

Braune Zwerge sind echte Rekordjäger: Nicht nur halten sie den Titel als die leichtesten und kleinsten Objekte unter den Sternen und Fast-Sternen, kürzlich entpuppte sich ein Paar von ihnen auch noch als die kältesten und dunkelsten „Funzeln“, die das Universum zu bieten hat. Das stellten Astronomen im Jahr 2008 mit Hilfe der hochauflösenden Infrarotsensoren des NASA-Weltraumteleskops Spitzer fest.

Kältestes Objekt im Sternenreich

So könnten die dunkelsten sternenähnlichen Objekte im All aussehen: Das Zwillingssystem 2MASS J09393548-2448279 aus zwei Braunen Zwergen würde im sichtbaren Licht dunkelmagenta erscheinen, wegen ihrer extrem niedrigen Teperaturen von 565 bis 635 Kelvin, aber auch wegen der Präsenz von Wasser, Ammoniak und Methan in ihrer Atmosphäre. © NASA/JPL-Caltech

Der Braune Zwerg mit der unaussprechlichen Bezeichnung „2MASS J09393548-2448279“ war seit 1999 bekannt und damit eigentlich ein „alter Hut“. Doch Davy Kirkpatrick und seine Kollegen vom Infrarot-Auswertungszentrum der NASA am California Institute of Technology nahmen sich den Zwerg trotzdem noch einmal vor, denn sie wollten seine Helligkeit genau berechnen. Dafür ermittelten sie zunächst seine Temperatur: 565 bis 635 Kelvin ergaben die Messungen – das ist zwar hunderte von Grad heißer als der Jupiter, aber für einen Stern und selbst für einen Braunen Zwerg extrem kalt.

Um nun die Helligkeit zu berechnen, mussten die Astronomen zunächst die genaue Entfernung des Braunen Zwergs von der Erde ermitteln, indem sie seine Bewegung gegenüber dem Hintergrund weiter entfernter Sterne maßen. Nach drei Jahren der Beobachtung mithilfe des Anglo-Australian Observatory stand fest: 2MASS 0939 liegt nur 17 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung der Konstellation Antlia.

Zwei „Funzeln“ statt einer

Aber etwas passte nicht zusammen: Der Braune Zwerg war doppelt so hell, wie es die Entfernung und die Temperaturdaten des Spitzer-Teleskops erwarten ließen. Das Objekt hätte eigentlich die doppelte Oberfläche besitzen müssen, damit die Daten passten. Und wie sich schnell herausstellte, war genau das auch der Fall: Denn es handelt sich bei 2MASS 0939 nicht um einen, sondern um gleich zwei Braune Zwerge, die sehr nahe beieinander standen. Jeder von ihnen strahlt nur mit einem Millionstel der Sonnenstrahlung und im Bereich des sichtbaren Lichts sogar nur mit einem Milliardstel.

„Die beiden Objekte sind die ersten, die die Grenze von einem Millionstel der Sonnenstrahlkraft brechen“, erklärt Adam Burgasser vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. „Diese beiden Braunen Zwerge sind damit die funzeligsten stellaren Glühbirnen am Himmel, die wir kennen. Und wie energiearme Glühbirnen emittieren auch sie einen Großteil ihres Lichts in einem engen Wellenlängenbereich, in diesem Fall dem Infrarot-Bereich.“

Der „heilige Gral“

Nach Ansicht der Forscher könnte es sogar noch weitaus lichtschwächere Braune Zwerge im Kosmos geben, die meisten sind jedoch zu dunkel, um sie mit den heutigen Instrumenten zu finden. „Der heilige Gral beim Erforschen der Braune Zwerge ist es herauszufinden, wie weit nach unten sie in Bezug auf Temperatur, Masse und Helligkeit reichen”, so Kirkpatrick. „Denn das erzählt uns mehr darüber, wie Braune Zwerge sich bilden und entwickeln.“

Die Zukunft bleibt spannend

Im Mai 2007 sorgte der Braune Zwerg 2MASS1207-3932 für Furore. Astronomen am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte auf dem Paranal in Chile entdeckten, dass der junge Braune Zwerg eine Fontäne von Materie weit ins All hinaus schleudert – bis zu einer Milliarde Kilometer reichen diese Jets. In ihnen werden Staub und Gase bis auf eine Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde beschleunigt. In seinem Verhalten gleicht der Zwerg mit der 24-fachen Masse des Jupiter damit sehr jungen Sternen, ist aber das mit Abstand kleinste Objekt im Weltall, bei dem so etwas nachgewiesen werden konnte. © ESO

Bisher haben diese „Erzählungen“ der kosmischen Zwerge immerhin ausgereicht, um gleich mehrere Schubladen im astronomischen Ordnungssystem zu sprengen und neue Kategorien zu erzwingen. Und noch immer stellt nahezu jede weitere Entdeckung die herkömmlichen Vorstellungen aufs Neue in Frage. Die Astronomen erwarten in den nächsten Monaten und Jahren hier noch einiges an Turbulenzen, vor allem dank der stetig sich verbessernden Teleskop- und Detektortechnik, die immer tiefere Einblicke in den Kosmos ermöglicht .

Mehr Informationen erhoffen sich die Astronomen unter anderem von dem seit Dezember 2009 in der Erdumlaufbahn kreisenden „Wide-Field Infrared Survey Explorer“-Observatorium (WISE). Das hochauflösende Infrarot-Teleskop ist so auflösungsstark, dass es Braune Zwerge, Planemos und Ähnliches aufspüren kann, die zu kalt für alle bisher existierenden Teleskope waren. So könnte es im Umkreis von 75 Lichtjahren um die Erde ohne Probleme jupitergroße Objekte finden, deren Temperaturen nur bei rund 450 Kelvin liegen. Selbst extrem kalte Objekte von nur noch 150 Kelvin entdeckt WISE immerhin noch bis zu einer Entfernung von zehn Lichtjahren.

-Nadja Podbregar

Braune Zwerge – Einfach erklärt

Braune Zwerge – was ist das? In der Reihe einfach erklärt wirft Raumzeit einen Blick auf braune Zwerge – eine Zwischenform zwischen Planet und Stern. Was ist ein Brauner Zwerg, wie entsteht er und wie wird er definiert – viel Spaß beim Zuschauen!

(mfe)

Source: Braune Zwerge – scinexx.de
Braune Zwerge – Einfach erklärt (2018) – YouTube

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