Zukunftsideen für nachhaltige Ressourcen

Foto: themacx/iStock

Klar ist: Öl, Erdgas und Kohle wachsen nicht nach. Und als fossile Energieträger enden sie zudem in Form von CO2 in der Atmosphäre. Für viele Wissenschaftler sind fossile Ressourcen ein Auslaufmodell der Energiewirtschaft. Sie arbeiten daran, nicht nur erneuerbare Energien besser zu erforschen, sondern bereits freigesetzte Stoffe wie Kohlendioxid wiederzuverwerten. In unserem Dossier “Zukunftsideen” lesen Sie über aktuelle Entwicklungen bei der nachhaltigen Ressourcengewinnung.

Das zweite Leben der Altreifen

Gummimehl

Das waren einmal Autoreifen: fein gemahlenes Mehl aus Elastomeren. (Foto: Hendrik Schmidt)

Was passiert eigentlich mit alten Autoreifen? Bisher wird ein Großteil des alten Gummis verbrannt. Aber deutsche Forscher arbeiten daran, das Recycling dieser sogenannten Elastomere zu verbessern. Erste Erfolge gibt es bereits – sowohl bei Altreifen als auch bei Gummiresten aus der Produktion.

Jährlich fallen weltweit etwa 1,8 Milliarden Altreifen an. Doch das Gummimaterial wird zurzeit noch kaum wiederverwertet: „Über die Hälfte aller Altreifen werden immer noch energetisch verwertet, also verbrannt“, erklärt Stefan Hoyer von der Technischen Universität Chemnitz. Eines der Probleme: „Das Recycling von Gummi ist schwierig, weil jede Anwendung ihre ganz eigene Rezeptur hat. Sortenreinheit hat hier oberste Priorität und die ist gerade für Reifen schwer herzustellen“, erklärt der Forscher.

Hoyer und seine Kollegen arbeiten an Möglichkeiten, um das sogenannte „Elastomer-Recycling“ zu verbessern – die Wiederverwertung von formfesten, aber elastisch verformbaren Kunststoffen. Für die Altreifen haben sie bereits eine Methode entwickelt, die das Recycling effektiver macht und die es erlaubt, höherwertige Produkte als bisher aus dem alten Gummi zu produzieren.

Altreifen zu Schallschutzmatten

Bisher wurden Altreifen meist zu relativ groben Granulaten zerkleinert und mit Bindemitteln zu Boden- und Fallschutzmatten oder Gummischichtungen im Automobilbau gepresst. Auch als Kunstrasen-Granulat für Sport- und Spielplätze wurde das Gummi verwendet. Doch an der TU Chemnitz lassen sich jetzt auch Werkstoffe mit höherer Qualität und Leistungsfähigkeit aus dem alten Gummi herstellen.

Bei dieser Methode wird das Altgummi gar nicht erst zu Granulat geschreddert. „Wir sparen uns einen Prozessschritt und damit vor allem Energie und schützen so das Material vor thermischen Schäden“, erklärt Hoyer. Stattdessen erzeugen die Forscher aus dem Gummi direkt ein feines Gummimehl, das mit thermoplastischen Kunststoffen gemischt wird. Diese sogenannten „Thermoplast-Elastomer-Compounds“ sind schmelzbar und können beispielsweise im Spritzgießverfahren zu komplexen Bauteilen verarbeitet werden.

Den Produkten ist später nicht mehr anzusehen, dass sie früher einmal Reifen waren. Auf diese Weise können endlos gefertigte, hochwertige Matten für Verschleiß- und Schallschutz hergestellt werden. „Aktuell sind wir noch in der Phase der Markteinführung, kooperieren aber bereits mit einer Firma aus der Region“, so Hoyer.

Kreislauf der Gummireste

Noch weiter sind die Forscher bei einer weiteren Recycling-Technologie, sie ist bereits international im Einsatz: „Wir haben die Wiederverwertung von technischen Elastomeren optimiert“, berichtet Hoyer. Dabei handelt es sich um Gummimaterialien, die für technische Anwendungen zum Einsatz kommen, beispielsweise Dichtungsringe. Bei deren Herstellung fällt oft viel Ausschuss an, der meist teuer entsorgt werden muss.

„Unsere Technologie kann diese Reststoffe so aufbereiten, dass sie einfach wieder in den Herstellungsprozess zurückgeführt werden können. Das sortenreine Rezyklat wird wieder unter die Ausgangsstoffe gemischt und der Prozess läuft weiter“, erklärt der Forscher. Als Rezyklat bezeichnen die Forscher Feinmehl aus den Produktionsresten. Dank dieses Verfahrens können jetzt sogar Kleinchargen wirtschaftlich sortenrein recycelt werden. „Ganz nebenbei haben wir auch den Energieverbrauch um etwa 60 Prozent reduziert“, so Hoyer.

Die Technologie zielt insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen, die ihre Reststoffe selbstständig verwerten wollen, wie die Forscher erklären. Ihnen steht nun ein effizientes Werkzeug zum Recycling von Elastomeren zur Verfügung, mit dem die Ausgangsrohstoffe nachhaltig genutzt und wiederverwertet werden können. Einsparungen in Sachen Energiebedarf, Entsorgungskosten, Ressourcen und CO2-Ausstoß sind weitere positive Effekte.

Quelle: Technische Universität Chemnitz

© natur.de – Nadja Podbregar

Lässt sich CO2 recyceln?

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Das eigentlich unsichtbare Kohlendioxid reichert sich derzeit in der Atmosphäre an und treibt die durchschnittliche Temperatur nach oben. (Foto: iStock/acinquantadue)

Kann man Kohlendioxid nicht auch als Rohstoff nutzen, fragt ein bdw-Leser. Ja, klar, antwortet der Experte. Es gibt sogar verschiedene Möglichkeiten.

Als wir in der bdw-Ausgabe vom April unsere Leser fragten , welche Erfindungen sie sich wünschen, schlug Günter Uebel aus Kirschweiler vor, das Kohlendioxid nicht nur als Schadstoff zu betrachten, sondern auch als Rohstoff. Man könne zum Beispiel dem CO2-Molekül das C-Atom entreißen und es ein zweites Mal verbrennen, um Energie zu gewinnen. „Tatsächlich gibt es weltweit intensive Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet, die teils auch schon in industrielle Anwendungen münden“, antwortet darauf Walter Leitner, der an der RWTH Aachen einen Lehrstuhl für Technische Chemie und Petrolchemie innehat.

Leitner sieht auch weitere Möglichkeiten, Kohlendioxid zu nutzen. Man kann es zum Beispiel als Ganzes in die Molekülketten von Kunststoffen einbauen, um fossile Rohstoffe zu sparen, sagt er. Als Beispiel nennt er die Firma Covestro, die in Dormagen gerade eine erste Anlage mit einer Jahreskapazität von 5000 Tonnen Produkt pro Jahr für ein solches Verfahren in Betrieb genommen hat. „Viele chemische Produkte bis hin zu alternativen Treibstoffen lassen sich aus der Kombination von Kohlendioxid und Wasserstoff (H 2) gewinnen“, sagt Leitner.

Speicher für überschüssigen Strom

Wenn Solarzellen und Windräder bei passendem Wetter mehr Strom produzieren, als benötigt wird, kann die überschüssige Energie genutzt werden, um aus Kohlendioxid und Wasserstoff Brenngase oder flüssigen Treibstoff herzustellen. In dieser Form lässt sich die Energie besser speichern, bis sie in Zeiten des Strommangels wieder freigesetzt wird. Diese Verfahren werden als „Power-to-X“ bezeichnet, wobei das X durch Gas oder flüssigen Treibstoff ersetzt werden kann. „Gemeinsam ist diesen Verfahren die fundamentale Herausforderung in der Katalysator-Forschung“, sagt Leitner, „maßgeschneiderte Vermittler zu entwickeln, die das reaktionsträge CO 2 mit dem hochreaktiven H 2 verbinden.“

Einen Überblick zu den Erfolg versprechenden (und auch zu den riskanten) Optionen im Klimaschutz geben wir in der neuen Ausgabe von „bild der wissenschaft“.

© wissenschaft.de

Besseres Recycling für Seltenerd-Magnete

Neodym

Im Alltag kennen wir Neodym-Magnete eher so, aber sie stecken auch in vielen elektronischen Geräten. (Foto: Africa Studio/Fotolia)

Viele in Geräten verbaute Magnete enthalten wertvolle Seltenerd-Metalle. Doch bisher wird nur ein Prozent der Altmagnete recycelt. Ein neu entwickeltes Verfahren könnte dies künftig ändern. Denn es ist günstiger und schont die Umwelt mehr als herkömmliche Wiedergewinnungsmethoden.

Seltenerd-Metalle sind begehrte Rohstoffe für moderne Hightech-Geräte und Anwendungen. Sie stecken in Handys und Computern, aber auch in Windkraftanlagen und Elektroautos. Ein Teil dieser Metalle, darunter vor allem das Neodym, werden verbaut, weil sie starke Magneten sind. Doch obwohl Seltenerd-Metalle ein weltweit knapper Rohstoff sind, wird nur ein verschwindend geringer Teil dieser Elemente aus den ausgedienten Geräten wiedergewonnen. Nur ein Prozent der Altmagneten wird bisher recycelt.

Keine sauren Abwässer

Um das zu ändern, haben nun Forscher der TU Bergakademie Freiberg ein neues Verfahren entwickelt, durch das die Seltenerd-Metalle leichter und umweltschonender aus den Altmagneten herausgelöst werden können. Anders als bei bisherigen Methoden verwenden die Chemiker dabei ein besonderes Aufschlussverfahren – die sogenannte Feststoffchlorierung.

Bei dieser Methode werden gemahlene Altmagneten zunächst mit Ammoniumchlorid vermischt. Das Chlorid setzt beim Erhitzen Chlorwasserstoff frei, der mit den Metallen der Magneten reagiert und sie in Metallchloride umwandelt. Der Clou dabei: Diese Metallchloride können anschließend leicht in Wasser gelöst werden. „Im Gegensatz zur Laugung mit Mineralsäuren fallen dabei keine sauren Abwässer an, und auf eine teure Neutralisierung kann ebenfalls verzichtet werden“, erklärt Martin Bertau von der Bergakademie Freiberg.

Lohnend für Umwelt und Entsorger

Im Vergleich zum konventionellen Ansatz kommt dieses Seltenerdrecycling – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit – mit bedeutend geringerem Chemikalienbedarf und erheblich reduzierten Entsorgungsaufwand aus. Denn das unverbrauchte Ammoniumchlorid lässt sich zurückgewinnen, in dem man den Gasstrom abkühlt. Zudem kann das beim Reaktionsprozess entstehende Ammoniak ebenfalls aus der Gasphase abgetrennt werden. Dieses Gas ist ein wichtiger Chemie-Rohstoff und kann daher verkauft werden.

Der Gewinn daraus reicht aus, um den Preis für das Ammoniumchlorid und die Energiekosten mehr als auszugleichen, wie die Forscher erklären. Das Ganze lohnt sich daher sogar finanziell – was die Chance erhöht, dass künftig mehr Magnete auf diese Weise recycelt werden könnten. Hinzu kommt, dass dieses Recyclingverfahren vom Ablauf her effektiv ist: „Ein Drehrohrofen als Reaktorsystem ermöglicht zudem einen kontinuierlichen Ablauf“, erklärt Bertau. Unter diesen Bedingungen halte die Feststoffchlorierung demnach eine ganze Reihe an Vorteilen bereit.

Die Forscher haben ihr Verfahren bereits zum Patent angemeldet. Eine erste großtechnische Anwendung wird zurzeit von FNE Entsorgungsdienste Freiberg umgesetzt. Diese Firma hat auch schon erfolgreich ein Verfahren für das Recycling von seltenerdhaltigen Leuchtstoffen realisiert. „Mit der Demonstrationsanlage können wir zukünftig sowohl seltenerdhaltige Altmagnete als auch Leuchtstoffabfälle auf neuartige Weise und im zweistelligen Jahrestonnenmaßstab aufarbeiten“, erklärt Geschäftsführerin Karin Jacob-Seifert.

Quelle: TU Bergakademie Freiberg

© natur.de – Nadja Podbregar

Ein Haus zum Recyceln

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Das Aktivhaus B10 in Stuttgart beim Tag der offenen Tür: Vorne ist das Wohnzimmer, hinten die integrierte Garage für den Elektro-Smart. (Foto: Alexander Mäder)

Das Aktivhaus B10 in Stuttgart produziert nicht nur mehr Strom, als es verbraucht. Es lässt sich am Ende seines Lebens auch sortenrein zerlegen und recyceln. Ein gutes Beispiel für die neue Denkweise von Architekten und Ingenieuren, die in der aktuellen Ausgabe von „bild der wissenschaft“ vorgestellt wird.

Beim Bauen schon an den Abriss und das Recycling denken – mit dieser Forderung melden sich Planer und Architekten zu Wort. In der aktuellen Ausgabe von „bild der wissenschaft“ stellen wir ihre Projekte und Ideen vor. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern durchaus lukrativ, da in Häusern viele brauchbare Rohstoffe stecken – ein „Schatz im Schutt“. In Stuttgart steht ein Experimentalhaus, das ebenfalls diesem Gedanken verpflichtet ist: das Aktivhaus B10 des Architekten Werner Sobek von der Universität Stuttgart. Die Ein-Zimmer-Wohnung war kürzlich wieder zu besichtigen.

Der Name ist bloß eine Abkürzung der Adresse: Bruckmannweg 10. Das Haus liegt gleich neben der Weißenhofsiedlung, die in den 1920er-Jahren unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe gebaut wurde. Zwei Häuser von Le Corbusier gehören dort zum Weltkulturerbe der Unesco. Vor drei Jahren wurde das Haus B10 gebaut – an einem einzigen Tag, denn es besteht aus zwei Blöcken, die bloß mit dem Kran in die richtige Position gehoben und dann miteinander verbunden werden mussten. ( Auf dieser Seite gibt es Fotos vom Bau.) Da ist zum einen das Wohnzimmer mit angeschlossener Garage: Sie hat genau die Größe eines Lkw-Containers und wurde auch auf diesem Weg nach Stuttgart transportiert. Hinter der Wohnung liegt ein zweiter, schmaler Container: die Haushaltsabteilung, in der Wasseraufbereitung, Heizung, Toilette, Bad und Batterie untergebracht sind. Diese modulare Bauweise wird den Rückbau deutlich erleichtern.

Ganz aus Holz gebaut

Eigentlich wollte man das Haus mal als Büro und mal als Wohnung nutzen, um Erfahrungen und Daten zu sammeln, erzählt ein Mitarbeiter am Tag der offenen Tür. Doch nun gebe es vor allen Dingen Führungen, weil das öffentliche Interesse so groß sei. Das Haus soll in erster Linie mehr Energie erzeugen, als es benötigt. Natürlich ist das Flachdach mit Solarpaneelen bedeckt. Geheizt und gekühlt wird über Leitungen im Boden und in der Decke. Im Sommer nutzt man einen Eisspeicher, der im Garten vergraben ist. Und die großen Fenster sind mit einer isolierenden Vakuumschicht ausgestattet. Damit die Scheiben durch den Unterdruck nicht zusammenklappen, werden sie von feinen Stützen auf Abstand gehalten. Wenn man genau hinschaut, erkennt man die Stützen als kleine Punkte im Glas.

Das Haus ist auch so gebaut, dass man es ohne größeren Aufwand abbauen und das Material wiederverwenden kann. Wenn die Stadt Stuttgart das Projekt nicht verlängern sollte, könnte es schon im kommenden Jahr soweit sein, denn die Baugenehmigung läuft dann aus. Die Fensterrahmen sind aus Aluminium und die Wände  – auch die Außenwände –  sind aus unbehandeltem Holz. Außen ist das Haus nur mit einem Stoff bespannt, der den ärgsten Regen abhalten soll. Dass das Material am Ende sortenrein zerlegt werden kann, hob die Jury des „Material-Preis 2015“ hervor.  Am Tag der offenen Tür sind es zwei kleine Jungs, die schließlich auf die praktischen Fragen kommen: „Wie geht das Licht an?“, wollen sie wissen. Die Steuerung funktioniert im B10 natürlich über ein Tablet.

Mehr zum Recycling von Häusern finden Sie in der aktuellen Ausgabe (September 2016) von „bild der wissenschaft“.

© wissenschaft.de – Alexander Mäder

Dampf aus dem Solarschwamm

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In der Wasserschale schwimmt der Solarschwamm – er erzeugt durch bloße Sonnenbestrahlung Wasserdampf. (Foto:Jeremy Cho)

Um allein mit der Kraft der Sonne Dampf zu erzeugen, musste das Sonnenlicht bisher durch Spiegel oder Lupen konzentriert werden. Jetzt jedoch haben Forscher eine Konstruktion entwickelt, die selbst bei leicht bewölktem Himmel Wasser zum Kochen bringt – ohne aufwändige Optik oder zusätzliche Heizung. Dieses einfache und noch dazu billige Prinzip könnte vor allem in ärmeren, abgelegenen Gegenden dabei helfen, Wasser zu entsalzen oder zu reinigen – und so ohne großen Aufwand Trinkwasser zu gewinnen.

In der Solarthermie wird die Energie der Sonne schon seit längerem dafür genutzt, Wasser zu erhitzen. Auf dem heimischen Dach reicht dazu meist eine Anlage, in der ein besonders stark absorbierendes Material dafür sorgt, dass sich das hindurchfließende Wasser aufheizt. Soll aber mit der Solarenergie Dampf produziert werden, beispielsweise für die Stromerzeugung, dann muss das Sonnenlicht dafür erst konzentriert werden. „Optische Hilfsmittel wie Parabolrinnen, Heliostate und Linsen können den solaren Einstrom um mehrere tausend Mal konzentrieren und so sehr hohe Temperaturen erreichen, erklären George Ni vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und seine Kollegen. Doch diese Systeme sind meist teuer, sie könne bis zu 200 US-Dollar pro Quadratmeter kosten – und das macht ihren Einsatz gerade in ärmeren, aber sonnenreichen Ländern nahezu unerschwinglich. Um das zu ändern, experimentieren die Forscher schon seit längerem mit Materialien und Konstruktionen, die eine solargetriebene Verdampfung auch ohne solche optischen Hilfsmittel möglich machen.

Absorber, Schwamm und Blasenfolie

„Ich habe mich gefragt: Wie können wir Wasser unter ganz normalen Bedingungen auf einem Dach zum Kochen bringen, ohne das Sonnenlicht optisch konzentrieren zu müssen“, erklärt Nis Kollege Gang Chen. Nach einigem Experimentieren entwickelten die Wissenschaftler eine Art Wärmeschwamm: Eine schwammartige, auf dem Wasser schwimmende Insel, deren Oberseite mit einem speziellen Absorber-Material überzogen ist. Diese blauschimmernde Folie wird bereits häufig zum Auskleiden solarthermischer Paneele für die Warmwasserbereitung verwendet. „Solche spektral selektiven Materialien absorbieren Sonnenlicht sehr stark, geben aber nur wenig Strahlungswärme wieder an die Luft ab“, erklären die Forscher. Um diese Wärmeabgabe nach oben noch weiter zu minimieren, überdeckten sie diesen Wärmesammler zusätzlich mit einer Schicht simpler Blasenfolie – wie sie zum Verpacken zerbrechlicher Objekte genutzt wird. „Ich war zuerst skeptisch, aber wie sich zeigte, funktioniert das bestens“, berichtet Ni. Wie bei einem Treibhaus verhindert die durchsichtige Folienschicht, dass Wärme austreten kann, lässt aber das Sonnenlicht hindurch.

Wie aber funktioniert nun dieser „Solarschwamm“? Das Entscheidende passiert an der Unterseite der Absorberfolie: Sie leitet die eingefangene Wärmeenergie der Sonne weiter an die wassergefüllten Poren des Schwamms. Dadurch, dass in diesen Poren immer nur ein wenig Wasser in Kontakt mit der Heizfolie kommt, reicht schon relativ wenig Energie, um dieses Wasser stark aufzuheizen. Deshalb ist kein optisches Konzentrieren des Sonnenlichts nötig, wie die Forscher erklären. Würde die Folie dagegen direkt auf der Wasseroberfläche schwimmen, würde der große Wasserkörper die Wärme sofort ableiten und so stark „verdünnen“, dass es nicht zum Kochen kommt. Wenn das Wasser in den oberen Poren des Schwamms verdampft, sucht sich der Dampf seinen Weg nach außen. Durch ein kleines Loch im Zentrum der Schwamminsel kann er nach oben hin entweichen – und gezielt eingefangen werden. Gleichzeitig sorgt dieses Entweichen für einen Unterdruck, durch den von unten frisches Wasser in die oberen Schwammporen gesaugt wird.

Dampfproduktion selbst bei Wolken am Himmel

Dass dieses Prinzip funktioniert, bewies ein Versuch auf dem Dach des Labors. Wie die Forscher betonen, war der Himmel dabei keineswegs wolkenlos und die Sonne wurde immer wieder vorübergehend verdeckt. Dennoch heizte sich das Wasser in der Schwamminsel schon nach wenigen Minuten bis auf mehr als 95 Grad Celsius auf und der erste Dampf stieg auf. Die Schwamminsel wandelte dabei immerhin 20 Prozent des einfallenden Sonnenlichts in Dampf um. Ähnlich gut funktionierte das Ganze bei klarem Himmel aber schon tiefer stehender Sonne. „Diese Experimente belegen, dass dieser Solarempfänger die 100 Grad schnell erreicht – und das selbst in Perioden geringerer oder wechselnder Sonneneinstrahlung“, so Ni und seine Kollegen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte sich dieser „Solarschwamm“ besonders gut für den Einsatz in ärmeren Ländern und Regionen eignen. Denn die dafür nötigen Materialen sind weder sonderlich exotisch noch teuer. Eine ein Quadratmeter große Schwamminsel nach Muster ihres Prototyps würde rund sechs US-Dollar kosten. „Wir erwarten aber, dass sich die Kosten auf rund zwei US-Dollar pro Quadratmeter senken lassen“, sagen Ni und seine Kollegen. Denn die meisten Komponenten der Schwamminsel sind Alltagsmaterialien und könnten sogar aus Abfällen gemacht werden. Nur die Absorberfolie muss gekauft werden, aber auch hier gibt es noch günstigere Alternativen zu der im Prototyp eingesetzten Variante. „Rechnet man dies mit ein, kann unsere Konstruktion Dampf zu nur fünf Prozent der Kosten einer herkömmlichen Anlage mit optischen Hilfsmitteln erzeugen.“ Nützlich wären solche solaren Schwamminseln aus Alltagsmaterial beispielsweise, um Meerwasser zu entsalzen oder Trinkwasser aus verunreinigten Gewässern zu gewinnen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar

Solarzelle verwandelt CO2 in Treibstoff

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Versuchsaufbau, bei dem das “künstliche Blatt” von einer Lichtquelle bestrahlt wird. Credit: University of Illinois at Chicago/Jenny Fontaine

Die Photosynthese ist das große Vorbild: Pflanzen verwandeln Kohlendioxid durch Sonnenlicht in chemische Energieträger. Dem Ziel, dieses Konzept technisch effektiv umzusetzen, sind Forscher nun einen Schritt näher gekommen: Sie haben eine Art künstliches Blatt entwickelt, das durch Sonnenlicht Kohlendioxid in die energiereichen Substanzen Wasserstoff und Kohlenmonoxid verwandeln kann. Das zum Patent angemeldete Konzept erscheint somit als ein Hoffungsträger bei der Verringerung der Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Erdatmosphäre.

Jede Kalorie, die wir in unserem Körper verbrennen, wurde letztlich einmal von einer Pflanze durch die Photosynthese erzeugt. Über das chemische Grundprinzip der Reduktion verwandeln sie Kohlendioxid in energiereiche Kohlenstoffverbindungen wie Zucker. Um dieses System künstlich umzusetzen, sind Katalysatoren nötig, die eine Reduktion des Kohlendioxids in einem technischen System vermitteln können. Dabei handelte es sich bislang um das große Problem: Die bisher eingesetzten Katalysatoren waren ineffizient und teure Edelmetalle wie Silber sind nötig. Das Team um Amin Salehi-Khojin von der University of Illinois in Chicago hat sich deshalb erneut der Suche nach alternativen Konzepten gewidmet. „Was wir brauchten, war eine neue Familie von Chemikalien mit außergewöhnlichen Eigenschaften“, sagt Salehi-Khojin.

Ein innovative Katalysator bringt’s

Er und seine Kollegen konzentrierten sich bei ihrer Suche nach neuen Katalysatoren auf nano-strukturierte Übergangsmetall-Chalkogenide (Transition Metal Dichalcogenides, TMDCs). Dabei handelt es sich um Verbindungen von Elementen aus der sechsten Hauptgruppe des Periodensystems wie Sauerstoff, Schwefel, Selen oder Tellur mit Metallen. Bei ihren Tests stellte sich nano-strukturiertes Wolframdiselenid als bester Katalysator heraus. Er übertrifft die Effektivität von Edelmetallkatalysatoren bei weitem und ist zudem deutlich billiger, berichten die Forscher. Sie kombinierten diesen Katalysator mit einer speziellen Flüssigkeit in einer elektrochemischen Zelle. Wie sie erklären, schützt diese Substanz das Wolframdiselenid vor den aggressiven Effekten der Reduktionsreaktion.

Mit diesen innovativen Komponenten entwickelten sie dann ihr künstliches Blatt: Zwei Photovoltaik-Solarzellen sorgen bei dem Konzept für elektrische Energie. Auf der Kathoden-Seite befindet sich das Wolframdiselenid in der elektrolytischen Flüssigkeit. Durch eine Membran getrennt liegt auf der Anoden-Seite des Systems wiederum Cobaltoxid in einem Kaliumphosphat-Elektrolyten vor. Wenn nun Licht von natürlicherweise vorkommender Intensität das künstliche Blatt bestrahlt, kommt der Prozess in Gang: Wasserstoff und Kohlenmonoxid sprudeln von der Kathode, während freier Sauerstoff und Wasserstoffionen an der Anode erzeugt werden. „Die Wasserstoffionen diffundieren durch die Membran zur Kathodenseite, wo sie an der Kohlendioxidreduktionsreaktion teilnehmen“, erklärt Asadi.

Treibhausgas soll zu Treibstoff werden

Das entstehende Wasserstoff- und Kohlenmonoxyd-Gas kann dann entweder gleich verbrannt oder aber in Treibstoffe umgewandelt werden. „Statt Energie auf nicht nachhaltige Weise durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu Treibhausgas zu machen, können wir mit diesem System den Prozess umkehren und Kohlenstoff aus der Atmosphäre durch Sonnenlicht in Kraftstoff verwandeln“, resümiert Salehi-Khojin.

Er und seine Kollegen tüfteln nun weiter an der Optimierung ihres vielversprechenden Systems. Ihnen zufolge könnte es möglicherweise nicht nur in großen Solarfarmen zum Einsatz kommen, sondern auch in kleineren Einheiten. Sie sehen sogar Potenzial für die Raumfahrt: Auf dem Mars könnte man mit dem Konzept möglicherweise Energie gewinnen, denn die Atmosphäre des Planeten besteht größtenteils aus Kohlendioxid. Man darf also gespannt sein, was sich aus dem Konzept in Zukunft entwickeln wird.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg

Mikroben als „Windfarmer“

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MIkrorotoren beginnen sich in einer Bakterienlösung von selbst geordnet zu drehen – immer abwechselnd mal im, mal gegen den Uhrzeigersinn (Grafik: Amin Doostmohammadi)

Wenn es um Stromgewinnung durch Rotoren geht, denkt jeder als erstes an Windparks. Aber das Prinzip funktioniert auch im Mikromaßstab, wie ein Experiment britischer Forscher belegt. In diesem sorgt eine Bakterienlösung dafür, dass sich winzige Rotoren von allein koordiniert drehen. Trotz normalerweise eher chaotischer Turbulenzen auf dieser Mikroebene lässt sich damit nutzbare Arbeit leisten. Die so gewonnene Energie könnte beispielsweise genutzt werden, um Mikromaschinen anzutreiben, so die Forscher.

„Ein Großteil des Energiebedarfs unserer Gesellschaften liegt im gigawatt-Maßstab, aber es gibt auch einige, die tatsächlich mikroskopisch sind“, sagt Koautor Tyler Shendruk von der Oxford University. Gerade in der Nano- und Mikrotechnologie haben Forscher inzwischen Maschinen und Konstruktionen entwickelt, die beispielsweise das Erbmolekül DNA oder Proteine als Gerüst nutzen und sich mit Hilfe winziger Räder oder Propeller fortbewegen oder vor Ort als biochemischer Minikran, Motor oder Sensor dienen.  „Ein potenzieller Weg, um für solche Mikromaschinen Energie zu prodozieren, könnte es sein, diese Energie direkt aus biologischen Systemen wie Bakterien-Suspensionen zu gewinnen“, erklärt Shendruk. Solche Lösungen eignen sich deshalb gut, weil Bakterien aktiv schwimmen können und unter bestimmten Bedingungen sogar gerichtete Schwärme bilden. Das wiederum erzeugt Strömungen in der Lösung, deren Bewegungsenergie genutzt werden könnte. Allerdings hat das Ganze einen Haken: Bisher galten solche Bakterien-generierten Ströme als zu turbulent und chaotisch, um aus ihnen ohne weiteres nutzbare Energie gewinnen zu können.

Rotorenfelder in Bakterienlösung

Doch die Simulations-Experimente von Shendruk und seinen Kollegen zeigen, dass sich das vermeintlich zu chaotische Verhalten der Bakterien sozusagen „zähmen“ lässt. Für ihren Versuch entwickelten sie eine strömungsdynamische Simulation, die das Verhalten einer Bakterienlösung rekonstruiert. In dieses virtuelle Mikrobenbad senkten die Forscher ein Gitter, auf dem 64 regelmäßig angeordnete Mini-Rotoren angebracht waren. Lagen die Rotoren eher weit auseinander, begannen sie wie erwartet chaotisch und unregelmäßig zu rotieren, einige bewegten sich auch gar nicht. Ähnliches zeigte sich, wenn nur ein einzelner Rotor in der Lösung stand. Doch als die Wissenschaftler den Abstand zwischen den Mini-Rotoren auf rund 40 Mikrometer verringerten, zeigte sich Erstaunliches: Plötzlich ordnete sich ihre Drehbewegung scheinbar wie von selbst. „Sie bildeten plötzlich ein regelmäßiges Muster, bei dem sich benachbarte Rotoren in jeweils entgegengesetzte Richtungen drehten“, berichtet Shendruk. „Die Rotoren ordneten sich von selbst zu einer Art bakterieller Windfarm.“ Der Grund dafür: Jeder Mikro-Rotor erzeugt eine kreisförmige Strömung um sich herum, die die lokalen Turbulenzen ausschließt. Grenzen viele solcher Wirbelströme direkt aneinander, entsteht ein geordnetes Feld.

Nach Ansicht der Forscher eröffnen solche Mikro-„Windparks“ eine neue Möglichkeit, Energie aus aktiver Materie – also beispielsweise aus Bakterienlösungen – zu gewinnen. „Die Fähigkeit, selbst eine kleine Menge an mechanischer Arbeit aus solchen biologischen Systemen zu bekommen ist wertvoll, weil sie keinen Strom von außen benötigen und interne biochemische Prozesse nutzen, um Bewegung zu erzeugen“, sagt Koautor Amin Doostmohammadi von der University of Oxford. Wie er und seine Kollegen erklären, könnten solche Rotorenfelder im Mikromaßstab künftig eingesetzt werden, um beispielsweise Mikromotoren und andere Mikroelektromechanische Anwendungen mit Energie zu versorgen. Auch als eine Art Mikromixer könnten sich die Miniatur-Anlagen nutzen lassen. „Die Natur ist brillant darin, winzige Motoren zu erzeugen und es liegt enormes Potenzial darin, wenn wir verstehen, wie wir ähnliche Konstruktionen nutzen können“, sagt Seniorautorin Julia Yeomans von der Oxford University.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar

„Die Welt der Energie wird deutlich bunter“

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André Thess ist seit 2014 Direktor des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt und Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart. (Foto: DLR/Frank Eppler)

André Thess ist einer der führenden Energiespeicher-Forscher weltweit. Auch seine gesellschaftspolitischen Äußerungen sind außergewöhnlich – über die deutsche Energiewende, zum Tesla-Eigner Elon Musk und zu künftigen Energieversorgungsstrukturen.

wissenschaft.de: Wie beurteilen Sie die Energiewende, Herr Professor Thess?
André Thess: Die Energiewende ist der deutsche Beitrag zur Dekarbonisierung der globalen Energieversorgung. Das primäre Ziel ist es aber, weltweit die Emissionen von Kohlendioxid zu reduzieren. National ist gut, doch das reicht nicht: Wir müssen Maßnahmen rund um den Globus ergreifen.

Ist Deutschland damit nur ein Player unter vielen anderen?
Es ist gut, dass Deutschland zum Umbau des Energiesystems einen wichtigen Beitrag leistet. Doch Einschätzungen nach dem Motto: „Wir wollen der übrigen Welt zeigen, wo es lang geht“ finde ich nicht angemessen. Wir Deutschen neigen zu einer Art nationaler Besserwisserei. Wir sollten stattdessen alles dransetzen, hier eine europäische Vorgehensweise anzustreben.

Welche Rolle spielen Energiespeicher bei der Energiewende?
Als Energiespeicher-Forscher argumentiere ich in diesem Punkt ganz unbescheiden: Die Dekarbonisierung des weltweiten Energiesystems ohne Energiespeicher wäre in etwa so wie die erste industrielle Revolution ohne Dampfmaschine. Wie wir die Energie von Sonne und Wind in Elektrizität transformieren können, ist physikalisch im Prinzip bekannt. Wir müssen diese Transformation nur noch besser und billiger hinbekommen. Die große Herausforderung besteht für mich in der Entwicklung von leistungsfähigen, preiswerten und zyklenfesten Energiespeichern – deswegen bin ich an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gekommen.

Wie könnte die Dampfmaschine in diesem Bereich aussehen?
Die Welt der künftigen Energieversorgung wird deutlich bunter sein als bisher. Bei den Energiespeichern werden verschiedene Technologien nebeneinander bestehen. Unser Institut ist in den beiden großen Technologien „elektrochemische Energiespeicher“ – also Batterien, Brennstoffzellen, Elektrolyseure – und sogenannte thermochemische Energiespeicher – also Wärmespeicher und synthetische Treibstoffe – zu Hause: Wir decken damit fast die gesamte Bandbreite der Speichertechnologien ab.

Die eine, große Lösung der Energiespeicherung von Strom wird es dann wohl gar nicht geben?
In Abwandlung des Spruches, dass es in Deutschland 80 Millionen Fußballbundestrainer gibt, kommt es mir oft so vor, dass wir auch 80 Millionen Energieexperten haben, die ganz genau wissen, was bis zum Jahr 2050 mit unserer Energieversorgung zu tun ist. Ich bin zwar Energieexperte, glaube aber nicht daran, dass wir heute vorhersagen können, wie unser Energiesystem dann genau aussehen wird. Wir Forscher tun gut daran, die Technologien in großer Breite zu erforschen. Wir sollten uns aber davor hüten zu behaupten, dass die Lösung in genau dieser oder jener Technologie besteht. Die künftigen Energiesysteme werden vielfältig und vermutlich regional sehr verschieden sein.

Viele Menschen sehen die Energiewende als gescheitert an.
Ich hielt den anfänglichen Hype um die Energiewende für übertrieben. Ebenso wie ich es für eine Übertreibung halte, wenn man heute sagt, sie sei gescheitert. Es handelt sich hier um einen langfristigen Prozess, der nicht allein national gemanagt werden kann, sondern zumindest europäisch, am besten weltweit zu organisieren ist. Bei aller Leistungsfähigkeit des deutschen Wirtschaftssystems sollten wir nicht davon ausgehen, dass allein wir wissen, wie die Welt zu retten sei. Nebenbei bemerkt: Über Weihnachten habe ich zwei Dokumente gelesen – die ausführliche Fassung der Beschlüsse des Pariser Klimagipfels und die Enzyklika des Papstes zur Verantwortung des Menschen für die Umwelt. Gewiss haben sich die Politiker bei der Formulierung der Beschlüsse große Mühe gegeben, doch das Dokument ist selbst für mich kaum lesbar. Obwohl ich Atheist bin, muss ich hingegen neidlos anerkennen, dass es Papst Franziskus gelungen ist, die Bedeutung des Kampfs gegen Klimawandel und Ressourcenverschwendung für einen Durchschnittsbürger verständlich darzustellen.

Kommen wir zur Batterieforschung. Wann gibt es dort den Durchbruch?
Bei der Batterieforschung haben wir es mit drei wichtigen Größen zu tun. Erstens mit der Speicherdichte – wie viele Kilowattstunden kann man in einem Kilogramm speichern? Zweitens mit der Zyklenzahl – also: Wie oft kann ich eine Batterie laden und entladen? Und drittens: Was kostet die Batterie? Wir Wissenschaftler arbeiten an der Verbesserung von allen drei Größen. Es wird in allen Bereichen signifikante Verbesserungen geben. Doch ich persönlich glaube, dass der Preis der wichtigste Faktor wird. Wenn wir die heutigen Kosten auf ein Zehntel drücken könnten, hätten wir das Problem der Elektromobilität in den Städten weitgehend gelöst, weil dann das Mittelklasse-E-Fahrzeug das Preisniveau eines heutigen Benziners erreicht hätte.

Besteht Hoffnung auf einen ähnlichen Preisverfall, wie wir ihn bei der Photovoltaik erlebt haben?
Mit den heutigen Anstrengungen können wir den Preis auf die Hälfte oder ein Drittel reduzieren. Ob wir ihn auf ein Zehntel nach unten bringen, kann derzeit niemand seriös prognostizieren.

Wie sehen Sie die lautstarken Diskussionsbeiträge von Elon Musk, dem Tesla-Eigner?
Meine Lebenserfahrung lautet: Angekündigte Revolutionen scheitern. Ich wünsche Herrn Musk viel Erfolg, würde aber an seiner Stelle die Revolution in der Speichertechnologie einfach umsetzen, anstatt sie anzukündigen. Ich glaube, der Markt wird entscheiden, was aus den Ankündigungen von Musk wird. Hans Werner Sinn, der ehemalige Präsident des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte einmal sehr treffend: „Dass so vieles nicht produziert wird, was die Ingenieure produzieren könnten, wenn man sie ließe, ist die eigentliche Leistung der Marktwirtschaft. Sie selektiert das Sinnvolle und verdammt das Unsinnige zur bloß ideellen Existenz in den Schubladen.“ Ich glaube fest an die Fähigkeit der Wissenschaft, bahnbrechende Technologien zu entwickeln. Ich glaube aber nicht an ihre Fähigkeit, den Markt vorherzusagen. Der Markt ist ein schwer berechenbares Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage, welches durch die Einwirkung von Käuferpsychologie und Politik nicht einfacher wird.

Was wären für Sie spannende Produkte?
Zum Beispiel batteriebetriebene Mobilitätshilfen, die älteren Menschen eine bessere Beweglichkeit ermöglichen. Oder kleine emissionsfreie Flugzeuge, die von Batterien und Brennstoffzellen angetrieben werden. Ich sehe im Übrigen auch nicht ein, wieso ich meine Getränkekisten in den zweiten Stock wuchten muss, anstatt dies von einem batteriebetriebenen Personalroboter erledigen zu lassen.

Stellen wir uns einmal vor, wir hätten die wesentlichen Fragen der Erzeugung von regenerativem Strom und seiner Speicherung gelöst, wie würde sich dann der Umgang mit Energie beim Endverbraucher ändern?
Ich bin überzeugt, dass sich dann faszinierende Perspektiven für neue Energieprodukte auftun. Die Bedürfnisse und die Technologien zu ihrer Befriedigung müssen wir allerdings erst noch erfinden. Oder haben Sie etwa im Jahr 1980 das Bedürfnis nach einem Smartphone verspürt? Wenn nachhaltiger Strom und Speicher billig werden, könnte vielleicht sogar die Epoche des Energiereichtums kommen. Ich arbeite jedenfalls daran, dass Energie aus erneuerbaren Quellen und die Speicher dafür preiswert werden. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass Energie eines Tages genauso preiswert und reichhaltig zur Verfügung steht wie Speicherplatz auf einer Festplatte.

Das Gespräch führten Ralf Butscher und Wolfgang Hess.

© wissenschaft.de – Ralf Butscher/Wolfgang Hess

Mikroroboter reinigen Wasser

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Selbstangetriebener Mikroroboter aus Graphen fängt Blei aus Abwasser ein. (Künsterlische Darsstellung, 2016 American Chemical Society)

Mit Armeen aus winzigen Umweltschützern wollen deutsche Forscher Wasser von Schwermetallen und organischen Verschmutzungen befreien: Sie haben säubernde Mikroroboter mit Eigenantrieb entwickelt, die selbstständig durchs Wasser wuseln und nach ihrer Arbeit wiederverwendet werden können.

Blei, Arsen, Quecksilber und andere Problem-Substanzen: Schwermetall-Belastungen des Wassers werden hauptsächlich von der Industrie verursacht und können ein großes Risiko für die öffentliche Gesundheit sowie für die Natur darstellen. Die Aufbereitung von kontaminiertem Wasser ist oft aufwendig und teuer, deshalb sind stets alternative Konzepte gefragt.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart arbeiten in diesem Zusammenhang an einem futuristisch wirkenden System: Schwärme von winzigen Robotern, die kleiner sind als ein menschliches Haar breit ist, sollen durch verunreinigtes Wasser sausen und es dabei reinigen. Die Microbots könnten diesen Job schneller und günstiger erledigen als aktuelle Methoden der Wasserreinigung, sagen die Wissenschaftler. Sie ermöglichen anschließend auch einen verantwortungsvollen Umgang mit den gesammelten Schadstoffen, da sie recycelt werden können und sich die Mikroroboter außerdem wiederverwenden lassen.

Der Antrieb hinterlässt nur Wasser und Sauerstoffblasen

Das Team um Samuel Sánchez vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme hat nun einen Prototyp ihrer Winz-Robos vorgestellt, der Blei absorbieren kann. Es handelt sich eigentlich um einen Motor, dessen Hülle die Reinigungsfunktion vermittelt: „Die Außenhülle des Mikroroboters, welche aus Graphen besteht, fängt das Blei ein“, erklärt Sanchez. „Die innere Platinschicht funktioniert als Antrieb und zerfallendes Wasserstoffperoxid als Treibstoff, sodass der Roboter sich selbst antreiben kann.“

Wenn Wasserstoffperoxid dem Abwasser zugesetzt wird, beginnen sich die winzigen U-Boote blubbernd in Bewegung zu setzen: Das Platin zersetzt den Treibstoff zu Wasser und Sauerstoffblasen, welche von der Rückseite des Mikroroboters ausgestoßen werden. „Es ist wichtig, ein System zur Schadstoffbeseitigung zu verwenden, welches keine zusätzliche Verschmutzung erzeugt“, betont Sanchez.

Die Winzlinge lassen sich sogar steuern, berichten die Forscher: Zwischen dem Graphenoxid und den Platinschichten befindet sich eine magnetische Nickel-Schicht, welche es den Forschern ermöglicht, die Bewegung der Mikroroboter von außen zu beeinflussen. „Ein Magnetfeld kann verwendet werden, um sie alle aus dem Wasser zu sammeln, wenn sie fertig sind“, sagt Sanchez. „Zukünftig könnten unsere Mikroroboter-Schwärme durch ein automatisiertes System gesteuert werden, welches sie mittels Magneten dazu bringt, verschiedene Aufgaben zu erfüllen.“

Raffinierte Putztruppen mit Potenzial

Die Effektivität ihres Konzepts konnten die Forscher bereits belegen: Ihnen zufolge können ihre Techno-Putztruppen Bleiverunreinigungen in Industrieabwasser in einer Stunde von 1000 Teilchen pro Milliarde bis auf unter 50 reduzieren. Anschließend kann das Schwermetall zum Recycling entnommen werden und die Mikroroboter sind wieder bereit für den nächsten Einsatz.

Neben Microbots zur Beseitigung von Schwermetall-Verunreinigungen arbeiten die Forscher derzeit auch an Versionen, die organische Wasserverschmutzungen absorbieren können.“Wir planen nun, unsere Mikroroboter weiterzuentwickeln, sodass sie auch andere Schadstoffe sammeln können. Auch werden wir an der Senkung der Kosten für ihre Herstellung sowie daran arbeiten, sie in großen Mengen herstellen zu können“, sagt Sanchez.

Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

© natur.de – Martin Vieweg

Der schmutzige Musterknabe

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Stolz posiert ein Arbeiter vor einer neu errichteten Windkraftanlage in der Provinz Ningxia. Bei der jährlich installierten Windkraftleistung liegt China heute weltweit vorn. (Foto: Getty Images)

China ist der weltweit größte Luftverpester – aber zugleich auch der größte Markt für erneuerbare Energien. Das Riesenreich unternimmt seit einigen Jahren enorme Anstrengungen, um den Anteil von Sonne, Wind und Wasserkraft an der Energieversorgung der fast 1,4 Milliarden Menschen im Land zu steigern. Zwar sind nicht alle Maßnahmen gut durchdacht, und manche Pläne der Zentralregierung werden von Provinzpolitikern blockiert. Dennoch ist der Erfolg bereits beachtlich. bdw-Autor Bernd Müller war vor einigen Monaten in China und hat sich dort ein Bild von den aktuellen Entwicklungen gemacht. Im aktuellen bdw-Heft analysiert er, wo das Land Fortschritte erreicht hat und wo es noch Nachholbedarf gibt.

Die Nachrichten aus dem Fernen Osten könnten kaum widersprüchlicher sein. Im November 2014 hatte der chinesische Staatschef Xi Jinping dem US-Präsidenten Barack Obama versprochen, sein Land werde bis 2030 das Maximum des Ausstoßes an Treibhausgasen erreicht haben – danach solle der zumindest nicht mehr weiter steigen. Ein Jahr später belegten dann neue Zahlen, dass die chinesischen CO 2-Emissionen erheblich höher sind, als die Daten das bislang vermuten ließen. Das Land verfeuerte demnach seit 2000 weitaus mehr Kohle als früher behauptet – eine enorme zusätzliche Belastung für das Weltklima.

Fakt ist allerdings: Kein anderes Land weltweit investiert heute mehr Geld in die Nutzung erneuerbarer Energiequellen als China. 2014 ließen sich die Chinesen das umgerechnet über 80 Milliarden Euro kosten. Der Anteil von Strom aus regenerativen Quellen am Strommix des Landes betrug Ende 2014 rund 13 Prozent – und er soll weiter steigen.

China überflügelt Deutschland

Beim Solarstrom hat China den einstigen Weltmeister Deutschland inzwischen überflügelt – dem Preisverfall für Photovoltaikanlagen sei Dank, der in China seinen Ausgang nahm. Auch bei Strom aus Windkraft geben die Ostasiaten mächtig Gas: Obwohl weite Teile des Landes eher windarm sind, legt der Bau neuer Rotoren von Jahr zu Jahr weiter zu. Inzwischen ist in China rund dreimal so viel Windkraftleistung installiert wie in Deutschland. Und selbst der – auch in China umstrittene – Ausbau der Wasserkraftnutzung schreitet weiter voran: Allein in Tibet, wo viele große Flüsse entspringen, sind rund 100 neue Staudämme geplant.

Allerdings: Die chinesische Bauwut täuscht darüber hinweg, dass vieles nicht rund läuft beim Umbau der Energieversorgung. So war bis vor einigen Jahren ein großer Teil der Windparks zwischen Himalaya und Gelbem Meer gar nichts ans Netz angeschlossen. Und der antiquierte Strommarkt hat nach Ansicht von Experten dringend eine Reform nötig, damit die ambitionierten Maßnahmen der Regierung in Peking greifen können. Lesen Sie mehr über Fakten und Hintergründe des chinesischen Energiewandels in der aktuellen Ausgabe von bild der wissenschaft.

© wissenschaft.de

Source: Zukunftsideen für nachhaltige Ressourcen – wissenschaft.de

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