Die fatalen Folgen der Wärme Abb. 2.9: Jes Aznar

Die fatalen Folgen der Wärme

> In den Weltmeeren spielt sich derzeit eine große Tragödie ab. Während der Mensch mit jedem Jahr mehr Treibhausgase in die Atmosphäre entlässt und auf diese Weise einen Wärmerekord nach dem anderen produziert, wirkt der Ozean der Hitzekatastrophe entgegen. Er nimmt mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme auf und speichert diese in zunehmender Tiefe. Der Preis für diesen Klimaservice aber ist hoch. Das Meer wird wärmer! Es dehnt sich aus und verliert dabei sein wertvollstes Lebenselixier – den Sauerstoff.

Alte Rolle, neue Detailschärfe

Die Weltmeere sind und bleiben aus mehreren Gründen einer der wichtigsten Regulatoren des Klimas auf der Erde. Sie speichern im Sommer Sonnenenergie in Form von Wärme und geben diese im Winter wieder an die Atmosphäre ab. Gleichzeitig transportieren die Meeresströmungen zu jedem Zeitpunkt Wärme von den Tropen in die hohen Breiten und verteilen sie auf diese Weise über den Erdball. Beide Effekte moderieren das Klima. Die Meere entziehen der Atmosphäre aber auch das Treibhausgas Kohlendioxid. Einen Teil davon lagern sie in der Tiefsee ein und bremsen auf diese Weise die Erderwärmung. Außerdem speisen sie den globalen Wasserkreislauf, indem an ihren Oberflächen große Wassermengen verdunsten.
Diese großen Zusammenhänge kennt man schon lang, neu ist allerdings die Detailschärfe, mit welcher die Wissenschaft das komplexe Zusammenspiel zwischen Ozean, Atmosphäre, Sonne, Eis und Schnee sowie Landoberfläche mittlerweile versteht. Den Grundstein dafür legen moderne Beobachtungssysteme, die heutzutage im Weltall, in der Luft, an Land sowie in vielen Regionen der Weltmeere zum Einsatz kommt. Satelliten erfassen das Wachsen und Schrumpfen der Eisschilde und Gletscher; sie vermessen die Oberflächentemperatur des Ozeans, die Veränderungen des Meeresspiegels, die Fläche und Dicke des Meereises in der Arktis und Antarktis und dokumentieren zudem den Salzgehalt sowie Farbe und Chlorophyllgehalt des Ober­flächenwassers. Sensoren, befestigt an Schiffsrümpfen, sowie Tauchroboter, Bojen und Verankerungen erfassen ­saisonale und langfristige Veränderungen wichtiger Wasserparameter wie Temperatur, Salzgehalt, pH-Wert, Sauerstoff-, Nährstoff- und Chlorophyllgehalt. Ein schönes Beispiel ist das mehr als 3700 Messgeräte umfassende ARGO-Netzwerk eigenständig agierender, profilierender Drifter. Jeder dieser Roboter misst die Wassertemperatur, den Salzgehalt und in Ausnahmefällen sogar pH-Wert, ­Sauerstoff- und Nitrat-gehalt bis in Tiefen von 2000 Metern.

Abb. 2.1 NSF/US Antarctic Program/Rob Robbins

2.1 > Mit diesem einen Meter langen und 23 Zentimeter schmalen Tauchroboter namens Icefin gelang es Wissenschaftlern erstmals, unter die schwimmende Eiszunge des westantarktischen Thwaitesgletschers zu tauchen und großflächig zu untersuchen, wie warm das Wasser an der Unterseite des Eises ist.

Hinzu kommen hochmoderne Tauchroboter, die entweder von Propellern angetrieben werden oder monatelang durch den Ozean gleiten, mit denen die Wissenschaftler Stück für Stück in bislang unzugängliche Meeresräume vorstoßen. In der Westantarktis beispielsweise ist es britischen und US-amerikanischen Forschern im Winter 2019/2020 erstmals gelungen, die Wassermassen unter der schwimmenden Eiszunge des Thwaitesgletschers mit einem Tauchroboter zu vermessen. Die Wissenschaftler hatten dazu ein 40 Zentimeter großes Loch durch das mehr als 600 Meter dicke Schelfeis gebohrt und das torpedoförmige Messgerät an einem Seil in die Tiefe hinabgelassen. An der Eisunterseite angekommen, begann der Roboter namens Icefin eine stundenlange Erkundungsfahrt, auf der er unter anderem die Temperatur und Leitfähigkeit des Wassers dokumentierte. Seine Daten zeigten, dass das Wasser zwei Grad wärmer war als der Schmelzpunkt des Gletschereises, was erklärt, warum der Thwaitesgletscher derzeit so rasant Eis verliert.
Zu einem besseren Verständnis der Rolle der Ozeane im Klimasystem der Erde trägt allerdings auch eine Vielzahl historischer, zumeist handschriftlicher Wetteraufzeichnungen (Schiffslogbücher, Seewetterberichte etc.) bei, die mittlerweile digitalisiert wurden und Lücken in Beobachtungslangzeitreihen schließen. Fortschritte gab es zudem bei der Entschlüsselung historischer Wetter- und Klimadaten aus Korallenriffen, Eisbohrkernen, See- und Meeressedimenten, aus Fossilien und anderen sogenannten natürlichen Klimaarchiven.

Abb. 2.2 NASA Operation IceBridge/Jeremy Harbeck

2.2 > Der Thwaitesgletscher ist einer der am schnellsten fließenden Eisströme der Westantarktis. Er transportiert Eis aus einer Region so groß wie der US-Bundesstaat Florida Richtung Meer. Seine schmelzenden Eismassen allein verursachen vier Prozent des aktuellen Meeresspiegelanstieges.

Außerdem stehen der Klimaforschung inzwischen Hochleistungsrechner mit einer viel größeren Speicher- und Rechenkapazität zur Verfügung. Diese Supercomputer ermöglichen es den Forschern, neue Generationen von Klima- und Erdsystemmodellen zu entwickeln, die entweder eine viel höhere räumliche Auflösung haben als die Vorgängergeneration oder aber viel mehr Komponenten (zum Beispiel Ozean, Eis, Schnee, Vegetation) und Wechselwirkungen in ihren Berechnungen berücksichtigen und somit die Komplexität des Klimas besser abbilden.
So ist die Ozeankomponente der neuesten Modellgeneration beispielsweise in der Lage, Meereswirbel darzustellen, die kaum größer sind als 100 Kilometer im Durchmesser. Außerdem werden die schnellen ozeanischen Randströme realistischer simuliert. Durch beide Fortschritte kann der Wärmetransport im Ozean besser dargestellt werden. Die Auflösung früherer Modelle hätte nicht ausgereicht, um Transportprozesse auf so kleinen Skalen abzubilden und in Klimasimulationen zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die biogeochemischen Prozesse im Ozean oder die Darstellung von Wolken darüber. Ihre Existenz sowie die vielen mit ihnen verbundenen Wechselwirkungen können mittlerweile deutlich detailreicher in Modellen dargestellt werden.
Auf Basis dieser vielen neuen Beobachtungdaten und Klimasimulationen gelingt es der Wissenschaft heute deutlich besser, zu beschreiben, wie sich das Klima der Erde in den zurückliegenden 800 000 Jahren verändert hat, vor allem aber seit Beginn der Industrialisierung vor etwa 150 Jahren (1850 bis 1900). Es herrscht zudem eine größere Gewissheit darüber, was die Ursachen dieser Veränderungen sind, wie sich die Klimaveränderungen auf die Meere und den Ozean auswirken und welche Zukunftsprognosen sich mit welcher Sicherheit treffen lassen, sowohl im globalen Maßstab als auch auf regionaler Ebene.

Abb. 2.3 nach Arias et al., 2021

2.3 > Physikalische und chemische Meeresparameter ändern sich. Für den sechsten Sachstandsbericht des IPCC wurde die künftige Entwicklung mithilfe sogenannter Shared Socioeconomic Pathways modelliert – in Türkis dargestellt für eine Welt mit sehr geringen Treibhausgas-Emissionen (SSP1-1.9), in Blau für eine Welt mit geringen Emissionen (SSP1-2.6), in Gelb mit mittleren Emissionen (SSP2-4.5) sowie in Rot und Weinrot mit hohen (SSP3-7.0) und sehr hohen Emissionen (SSP5-8.5).

Ohne jeden Zweifel

Die wichtigste Erkenntnis der Klimaforschung lautet: Die Welt ist heutzutage so warm wie zu keinem anderen Zeitpunkt in den zurückliegenden 2000 Jahren und vermutlich auch noch weit darüber hinaus. Seit dem Zeitraum 1850 bis 1900 ist die globale Durchschnittstemperatur unseres Planeten um 1,1 Grad Celsius gestiegen, wobei die Erwärmung über den Kontinenten deutlich höher ausfiel als über den Meeren.
Den größten Erwärmungstrend über Land dokumentierten die Forscher in der Arktis. In der nördlichen Polarregion sind die Temperaturen in den zurückliegenden Jahrzehnten dreimal so schnell gestiegen wie in der restlichen Welt, wobei jedoch die Durchschnittstemperatur von Jahr zu Jahr stark schwankt. Die Unterschiede betragen mitunter mehr als ein Grad Celsius, was sehr viel ist. Diese Schwankungsbreite oder Temperaturvariabilität, wie Meteorologen sagen, erschwert es Wissenschaftlern, das Signal des Klimawandels klar von den natürlichen Schwankungen des Klimas – auch Klimarauschen genannt – zu unterscheiden.

Abb. 2.4 nach Ed Hawkins/Climate Lab Book

2.4 > Obwohl die Temperaturen im Norden Amerikas stärker gestiegen sind als in den Tropen, berührt die nördliche Temperaturkurve noch immer den alten Schwankungsbereich. In den Tropen dagegen hat sie das gewohnte Niveau längst verlassen.

Argo-Drifter
Als profilierende Argo-Drifter (englisch: profiling floats) werden Messplattformen bezeichnet, die, einmal im Meer ausgesetzt, in eine Tiefe von bis zu 2000 Metern sinken und dabei die wichtigsten Parameter des umgebenden Wassers erfassen. Alle zehn Tage kehren sie an die Meeresoberfläche zurück und übertragen ihre Messdaten per Satellit. Die Daten werden innerhalb weniger Stunden für jedermann frei zur Verfügung gestellt. An dem Argo-Beobachtungsnetzwerk sind derzeit Forschungseinrichtungen aus mehr als 40 Ländern beteiligt.

Die bislang kleinsten Temperatursprünge über Land beobachten die Forscher in den Tropen. Diese Erkenntnis allein ist jedoch kein Anlass für Hoffnung, denn im Gegensatz zur Arktis fallen die Jahr-zu-Jahr-Unterschiede hier deutlich kleiner aus. Das heißt, die Temperatur steigt zwar langsam oder in kleineren Schritten, dafür bleibt sie dann aber auf Dauer über einstigen Höchstgrenzen. Schaut man sich die Temperaturkurven der Äquatorregion genauer an, so ragt diese seit den 1980er-Jahren über den ehemaligen Schwankungsbereich hinaus.

Sie hat gewissermaßen ein neues, höheres Temperaturniveau erreicht, was bedeutet, dass die Menschen in den Tropen heutzutage in einem heißeren Klima leben als ihre Vorfahren vor 100 Jahren. Klimaforscher kommen deshalb zu dem Schluss, dass die globale Erwärmung in den Tropen besonders offensichtlich ist, auch wenn der Temperatur­anstieg in nackten Zahlen ausgedrückt kleiner ausfällt als in der Arktis.
Weltweit steigende Oberflächentemperaturen sind jedoch nicht der einzige Beleg dafür, dass sich das Klima der Erde verändert. Mittlerweile beobachten Wissenschaftler eine Vielzahl von Indikatoren.

Die Luftmassen in der Troposphäre, der untersten Schicht der Atmosphäre, erwärmen sich und sind demzufolge in der Lage, mehr Wasserdampf zu speichern, was in vielen Regionen der Welt zu mehr Niederschlag führt. Abnehmende Temperaturunterschiede zwischen den Polen und den Tropen führen zu veränderten Luftmassenströmungen und somit zu einer Verlagerung wichtiger Windbänder in den gemäßigten Breiten. Gleichzeitig weiten sich die subtropischen Trockenzonen aus, während in der Arktis die Fläche des arktischen Meereises in den zurückliegenden 40 Jahren um 40 Prozent geschrumpft ist.
Hauptverantwortlich für diese Veränderungen ist der Mensch. Auch diese Aussage lässt sich heutzutage ohne jeden Zweifel treffen. Wichtige natürliche Klimafaktoren wie die Helligkeit der Sonne oder aber die kühlende Wirkung großer Vulkanausbrüche treten angesichts der Auswirkungen menschlichen Handelns auf der Erde in den Hintergrund. Durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas setzt die Menschheit in jedem Jahr eine derart große Menge klimaschädlicher Gase wie Kohlendi­oxid, Methan und Lachgas (Distickstoffmonoxid) frei, dass deren Konzentration in der Atmosphäre ansteigt und sich der Treibhauseffekt verstärkt.

Für den regelmäßig erscheinenden Weltklimabericht treten Forscher immer wieder aufs Neue den Beweis an und berechnen mithilfe immer besserer Klimamodelle, inwieweit sich die Welt mit und ohne menschliches Handeln erwärmt hätte. Die Ergebnisse sprechen seit Langem eine eindeutige Sprache: Berücksichtigen die Modelle allein die natürlichen Klimatreiber wie Sonne, Vulkane, Vegetation, Ozean und andere, sind sie nicht in der Lage, die Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung darzustellen. Eine realistische Simulation des aktuellen Klimas gelingt erst, wenn die Forscher die Daten der menschen­gemachten Treibhausgasemissionen hinzufügen.
In den zurückliegenden 170 Jahren hat die Menschheit schätzungsweise 2430 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen. 70 Prozent davon entstanden durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas; die restlichen 30 Prozent durch eine veränderte Landnutzung. Hinter diesem Begriff verbergen sich unter anderem Eingriffe wie das Abholzen der Wälder, das Trockenlegen von Mooren und Feuchtgebieten oder aber auch eine intensivere Landwirtschaft.

Abb. 2.5 Jim West/REPORT DIGITAL-REA/laif

2.5 > Die Energiegewinnung aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas ist weltweit ein wesentlicher Faktor, der den Klimawandel weiter vorantreibt.

Bemerkenswert ist außerdem, dass in diesem Zeitraum mit jedem Jahrzehnt mehr Kohlendioxid durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wurde. Finanz- und Wirtschaftskrisen führten in der Vergangenheit lediglich zu geringeren Steigerungsraten oder aber wie im Fall der Finanzkrise 2008 zu einem kurzfristigen Emissionsrückgang. In der Folgezeit aber erholte sich die globale Wirtschaft stets wieder, und der Kohlendioxidausstoß nahm erneut zu, sodass sich der langfristige Anstieg fortsetzte. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Emissionsstatistiker bislang bis zum Coronajahr 2020 mit jedem weiteren Jahr einen neuen Rekordwert verbuchten. Der aktuelle Höchstwert aus dem Jahr 2019 lag bei einem Gesamtausstoß von 43,1 Gigatonnen (Milliarden Tonnen). Im Pandemie-Jahr 2020 gingen die Emissionen durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent zurück.
Von der Menge des emittierten Kohlendioxids verbleibt mittlerweile ein Anteil von 46 Prozent in der Atmosphäre. 23 Prozent nimmt der Ozean auf; weitere 31 Prozent entziehen Landpflanzen der Atmosphäre im Zuge ihres Wachstums.

Abb. 2.6 nach GRID-Arendal

2.6 > Etwa 40 bis 45 Prozent der Erderwärmung werden durch kurzlebige klimawirksame Schadstoffe verursacht. Im Gegensatz zu Kohlendioxid verweilen diese nur kurz in der Atmosphäre – von wenigen Tagen (Feinstaub, Ruß) bis hin zu einigen Jahren oder Jahrzehnten (zum Beispiel Methan und Fluorkohlenwasserstoffe).

Der Weltozean als Wärmespeicher

Infolge der globalen Emissionen stieg die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre im Jahr 2020 auf einen Jahresdurchschnitt von 413,9 ppm (parts per mil­lion). Zum Vergleich: Im Jahr 1750, also zwei Jahrzehnte bevor der Brite James Watt die Dampfmaschine optimierte und damit den Grundstein für die Industrialisierung legte, betrug die Kohlendioxidkonzentration schätzungsweise 277 ppm. Je höher der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre steigt, desto undurchlässiger wird die Lufthülle der Erde für die Wärmeenergie, welche unser Planet aufgrund der Sonneneinstrahlung stetig wieder abstrahlt. Anstatt die Wärme ins Weltall entweichen zu lassen, halten die Treibhausgase sie gewissermaßen in der Atmosphäre fest und forcieren damit den Anstieg der Temperatur auf der Erde.
Dass sich die globale Erderwärmung bislang auf einen Durchschnittswert von 1,1 Grad Celsius beschränkt, verdankt die Menschheit in erster Linie dem Weltozean. Die Meere haben seit den 1970er-Jahren mehr als 90 Prozent der vom Menschen zu verantwortenden überschüssigen Wärme aufgenommen.
Um welch gigantische Energiemenge es sich dabei handelt, wird deutlich, wenn man sich einmal vor Augen führt, dass die Meere der Atmosphäre allein im Zeitraum von 2018 bis 2019 etwa 44-mal mehr Energie in Form von Wärme entzogen haben, als die gesamte Menschheit im gleichen Zeitraum für Transport, Industrie, Heizung und im Haushalt genutzt hat. Die Meere sind damit der wirkungsvollste Wärmespeicher im Klimasystem der Erde.

Zusatzinfo: Methan: Der unerwartete Aufstieg des kleinen Bruders

Dass der Ozean der Atmosphäre so viel Wärme entziehen kann, liegt vor allem an der extrem hohen Wärmekapazität des Wassers. Diese besagt, dass im Vergleich zu anderen Stoffen vergleichsweise viel Wärmeenergie benötigt wird, um Wasser überhaupt um ein Grad Celsius zu erwärmen – oder in anderen Worten ausgedrückt: Das Meer kann große Mengen Wärme aufnehmen, ohne dabei selbst deutlich wärmer zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet diese Tatsache aber auch, dass die Meere viel Wärme speichern; eine Eigenschaft, die vor allem dann relevant wird, wenn man bedenkt, dass sie die gespeicherte Wärme auch wieder an die Atmosphäre abgeben, wenn sich ihre Wassermassen abkühlen.
Vergleicht man nun die unterschiedliche Wärme­kapazität von Luft und Wasser, so wird deutlich, dass die Meere aufgrund der pro Kilogramm viermal größeren ­Wärmekapazität von Wasser im Vergleich zu Luft umgerechnet mehr als 1000-mal so viel Wärme speichern können wie die Lufthülle der Erde. Die Wärme wird an der Meeresoberfläche aufgenommen. Wind, Gezeiten und Meeresströmungen vermischen die Wassermassen und halten sie konstant in Bewegung, sodass die Wärme sowohl in größere Tiefen als auch von den wärmeren Gebieten Richtung Pole transportiert wird.
Wärme, die vom Meer aufgenommen wird, verschwindet jedoch nicht. Sie wird lediglich zwischengespeichert. Man könnte den Ozean deshalb mit einer gigantischen Wärmebatterie vergleichen, der wir Menschen seit Beginn der Industrialisierung mehr und mehr Wärme zuführen, indem wir Treibhausgase ausstoßen und so den Klima­wandel forcieren.

Abb. 2.7 nach Cheng et al., 2020

2.7 > Die Meere nehmen die Wärme an ihrer Oberfläche auf, Strömungen transportieren sie dann in immer größere Tiefen. Dieses Muster zeigt sich in allen Ozeanen, deren Temperaturveränderungen hier bis in eine Tiefe von 2000 Metern dargestellt werden.

Klimawirksam wird die im Meer gespeicherte Wärme erst wieder, wenn sie dazu beiträgt, dass das Meereis oder die schwimmenden Gletscherzungen in der Arktis und Antarktis schmelzen, aufgrund der Wärme Meer­wasser schneller verdunstet oder sich die Luft direkt über der Meeresoberfläche erwärmt.
Gerade in den gemäßigten und höheren Breiten gibt das Meer auf diese Weise seine Wärmeenergie wieder an die Atmosphäre ab und sorgt so dafür, dass die Lufttemperaturen steigen. Innerhalb welchen Zeitraums dies geschieht, ist schwer vorherzusagen: Einmal aufgenommen, kann die Wärme des Meeres das Erdklima über Jahrzehnte hinweg maßgeblich beeinflussen. Aus diesem Grund ist es für wissenschaftliche Vorhersagen des Klimas auch so entscheidend, den Wärmegehalt des Weltozeans möglichst genau zu kennen.
Die Temperaturkurve des Ozeans dient Wissenschaftlern zudem als wichtiges Kontrollinstrument. Verändert sich der Wärmegehalt der Meere, lässt sich anhand dieser Daten am besten der Beweis führen, wie es um die Erd­erwärmung steht – ob sie abklingt (gleichbleibende oder sinkende Wassertemperaturen) oder aber voranschreitet (steigende Wassertemperaturen). Daten aus der Luft sind für solche Analysen eigentlich ungeeignet, weil sie von zu vielen Faktoren beeinflusst werden. Nichtsdestotrotz werden sie noch immer gern für Aussagen zur Entwicklung der globalen Erwärmung herangezogen.

Temperaturanstiege bis in große Tiefen

Je mehr Wärme das Meer aufnimmt, desto spürbarer steigen seine Wassertemperaturen; zuerst an der Meeresoberfläche, anschließend in immer größerer Tiefe. Die mittlere Oberflächentemperatur der Meere ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts um 0,88 Grad Celsius gestiegen.
Deutliche Veränderungen beobachten Wissenschaftler mittlerweile aber auch in der Tiefsee. Betrachtet man die Wärmeverteilung über die verschiedenen Tiefen, so verblieben bis ins Jahr 2020 etwa 40,3 Prozent der aufgenommenen Wärme in den oberen 300 Metern. 21,6 Prozent waren in eine Tiefe von 300 bis 700 Metern gelangt, weitere 29,2 Prozent wurden in den Wasserschichten zwischen 700 und 2000 Metern gespeichert. Die restlichen 8,9 Prozent Wärme waren vor allem im Atlantischen und Südlichen Ozean bis in eine Tiefe von mehr als 2000 Metern verfrachtet worden.

Abb. 2.8 nach Deutsches Klima-Konsortium, 2019

2.8 > Die Meeresspiegel steigen nicht gleichmäßig wie in einer Badewanne. Satellitenbeobachtungen von 1993 bis 2017 belegen, dass erhebliche regionale Unterschiede exis­tieren.

Klimaforscher schlussfolgern daher, dass die weitreichende Erwärmung des Ozeans eines der überzeugendsten Anzeichen des globalen Klimawandels ist. Seit Beginn der kontinuierlichen Meeresbeobachtungen waren die Ozeane nicht so warm wie heutzutage – und alles ­deutet darauf hin, dass die Wassertemperaturen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weiter steigen werden, selbst wenn die Menschheit es schaffen sollte, ihre Treibhausgas­emissionen zu reduzieren.

Lebensbedrohliche Konsequenzen

Im Zuge der Erwärmung verändern sich wichtige physikalische Eigenschaften des Meerwassers. Einige dieser Veränderungen wirken sich unmittelbar auf das Klima­geschehen aus, andere wiederum beeinflussen vor allem das Leben im Meer sowie entlang der Küsten. Die wichtigsten Folgeerscheinungen sind:

  • ein Anstieg des Meeresspiegels,
  • eine Zunahme der Wassermassenschichtung und die damit verbundene Abnahme der Belüftung und des Sauerstoffgehaltes im Ozeaninneren,
  • die Zunahme der Verdunstung von Meerwasser,
  • die steigende Gefahr von Wetterextremen wie Stürmen sowie
  • ein verstärktes Auftreten von Hitzewellen im Meer.

Steigende Wasserpegel und kein Ende in Sicht

Abb. 2.9 Jes Aznar

2.9 > Der höchste Punkt der philippinischen ­Insel ­Batasan liegt weniger als zwei Meter über dem ­Meeresspiegel. Damit gehört die Insel zu den vielen niedrig gelegenen Küstenregionen der Welt, die aufgrund steigender Wasserpegel bald unbewohnbar werden. Bei Flut dringt das Wasser schon heute regelmäßig in die Häuser ein.

Wärmer werdendes Wasser dehnt sich aus. Dieses Naturgesetz gilt auch für das Meer und hat in den zurückliegenden Jahrzehnten mit dazu beigetragen, dass der mittlere globale Meeresspiegel im Jahr 2018 etwa 20 Zentimeter höher war als noch im Jahr 1900 – und er wird weiter steigen, Prognosen zufolge um 18 bis 23 Zentimeter bis zum Jahr 2050. Bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts waren der Anstieg der Meerestempe­raturen und die damit verbundene Ausdehnung der Wassermassen der Hauptgrund für den langfristigen Anstieg des globalen mittleren Meeresspiegels. Dessen jährliche Rate lag im Zeitraum von 1901 bis 1990 bei durchschnittlich 1,4 Millimetern pro Jahr.
Seitdem aber beschleunigt sich der Meeresspiegelanstieg spürbar. Von 1971 bis 2018 stieg der globale Pegel im Durchschnitt um 2,3 Millimeter pro Jahr, wobei in der zweiten Hälfte dieses Zeitraumes (2006 bis 2018) Durchschnittswerte von bis zu 3,7 Millimetern gemessen wurden. Das heißt, das Anstiegstempo hat sich im Vergleich zum zurückliegenden Jahrhundert mehr als verdoppelt.
Diese Beschleunigung ist allerdings nicht allein auf die Ozeanerwärmung zurückzuführen, selbst wenn der Anteil der Dichteveränderungen des Wassers bei mittlerweile 1,4 Millimetern pro Jahr liegt. Steigende Meeresspiegel können durch verschiedene Prozesse hervorgerufen werden. Deutlich zugenommen hat in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten insbesondere jener Anteil, der durch das Schmelzen der weltweiten Gletscher sowie der Eisschilde in Grönland und der Antarktis verursacht wird. Der stete Zufluss neuen Schmelzwassers führt dazu, dass tatsächlich mehr Wasser im Ozean zirkuliert und der Meeresspiegel massebedingt steigt. Nach Angaben des Weltklimarates machten die Eisverluste der Gletscher und Eisschilde in den vergangenen 15 Jahren 1,62 Millimeter pro Jahr aus und damit rund 44 Prozent des Gesamtanstieges.

Einen messbaren Einfluss auf den globalen Meeresspiegel haben außerdem Veränderungen der Wasserspeicher an Land. Werden zum Beispiel in mehreren Regionen der Welt Bäche oder Flüsse zu Stauseen angestaut, kann das den Meeresspiegel durchaus senken. Umgekehrt ist die Wirkung, wenn an Land große Wassermengen aus Grundwasserspeichern oder aber Seen entnommen wurden und dieses Wasser nach seiner Nutzung über die Kanalisation, Bäche und Flüsse in den Ozean gelangt.
An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass die Wasserpegel der Weltmeere nicht so gleichmäßig steigen wie der Wasserstand in einer Badewanne. Ihre Oberfläche ist auch nicht eben, wie man vielleicht annehmen könnte, wenn man vom Strand auf das Meer hinausblickt. Satellitenbeobachtungen belegen, dass es erhebliche ­regionale Unterschiede in der Meereshöhe sowie im Anstieg der Wasserpegel gibt. Diese lassen sich zum Beispiel auf den Einfluss von Meeresströmungen zurückführen, auf Winde oder auf die unterschiedlich starke wärmebedingte Ausdehnung der Wassermasse. Ausschlaggebend für steigende oder sinkende Wasserpegel können aber auch Landhebungen und -senkungen in jenen Küstenregionen sein, die während der letzten Eiszeit von riesigen Gletschern bedeckt waren. In Zahlen ausgedrückt können diese Unterschiede heutzutage bis zu plus/minus 30 Prozent des globalen Anstieges ausmachen.
Aus diesem Grund wird in der Wissenschaft häufig von Meeresspiegeln – in der Mehrzahl – gesprochen. Zudem verweisen Experten immer wieder darauf, dass es bei der Bewertung des Überflutungsrisikos vor Ort nicht nur auf den globalen Trend ankommt, sondern in erster Linie die lokalen Bedingungen berücksichtigt werden müssen. Ein plakatives Beispiel dafür ist die Entwicklung der Pegelstände an den Küsten Nordamerikas. Während in den zurückliegenden Jahren die Meeresspiegel entlang der Westküste nahezu unverändert geblieben sind oder eher sanken, steigen sie an der Ostküste bis heute größtenteils an.
Steigende Wasserpegel sind eine der folgenreichsten Entwicklungen im Zuge des Klimawandels. Sie gefährden zahllose Atolle und kleinere Inselstaaten sowie weite, oftmals dicht besiedelte Küstenräume auf der gesamten Welt. Gleichzeitig fällt es der Wissenschaft immer noch ausgesprochen schwer, genaue Vorhersagen zur künftigen Entwicklung der regionalen und lokalen Meeresspiegel zu machen. Der Grund dafür sind große Unsicherheiten in Bezug auf entscheidende Einflussfaktoren. So ist zum Beispiel immer noch fraglich, in welchem Tempo die Eisschilde Grönlands und der Antarktis künftig schmelzen werden – und ob sie irgendwann einen sogenannten Kipppunkt (Tipping Point) erreichen werden, an dem ihr Zerfall unaufhaltsam und unumkehrbar sein wird.
Der Weltklimarat geht in seinem sechsten Sachstandsbericht davon aus, dass sich der Anstieg des globalen Meeresspiegels weiter beschleunigen wird, selbst wenn es der Staatengemeinschaft gelingen sollte, die Treibhausgas­emissionen so umfangreich zu reduzieren wie im Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 beschlossen. Den aktuellen Vorhersagen zufolge wird der mittlere globale Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 im Durchschnitt um 38 bis 77 Zentimeter steigen – je nachdem, welche Menge an Treibhausgasen die Menschheit weiterhin emittieren wird.
Je höher die Wasserpegel steigen, desto größer wird die Überflutungsgefahr, vor allem in Küstenregionen, die maximal zehn Meter über dem Meeresspiegel liegen. Wurden viele von ihnen in der Vergangenheit statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren von außergewöhnlichen Hochwasserereignissen wie Sturm- und Springfluten oder aber extrem hohen Wellen getroffen, wird dies nach Angaben des Weltklimarates bis zum Jahr 2050 in den hohen und gemäßigten Breiten alle zwei bis 50 Jahre der Fall sein. Für die niedrigen Breiten, gemeint sind die Küstenräume der Tropen und Subtropen, rechnen die Experten mit mehreren extremen Hochwasserereignissen pro Jahr. Das heißt, Millionenstädte wie Kalkutta beispielsweise könnten durch das Meer künftig regelmäßig unter Wasser gesetzt werden.
Abb. 2.10 nach Vousdoukas et al., 2020

2.10 > Steigende Meeresspiegel bedrohen die Sandstrände der Welt. Diese beiden Karten zeigen für jeden Küstenstaat, wie hoch der prozentuale Anteil seiner sandigen Küstenabschnitte sein wird, die laut Berechnungen bis zum Jahr 2100 mehr als 100 Meter Breite einbüßen werden – oben (a) dargestellt für eine Welt, die sich bis zum Jahr 2100 um 2,5 Grad Celsius erwärmt; darunter (b) für eine Welt, die zum selben Zeitpunkt etwa 4,3 Grad Celsius wärmer ist.

Besonders schwer werden die Überflutungen ausfallen, wenn sich zu einem generell hohen Meeresspiegel eine Springflut und ein Sturmgebiet gesellen, dessen Winde das Meerwasser vor der jeweiligen Küste aufstauen. Unter diesen Bedingungen können hohe Wellen besonders weit ins Landesinnere vordringen und das Küstengebiet weiträumig überspülen. Küstenschutzexperten gehen davon aus, dass sich die Gefahr großer Überflutungen mit jedem Dezimeter Meeresspiegelanstieg in etwa verdreifacht. Dieser sprunghafte Anstieg ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Küstenstreifen in vielen Regionen der Welt nur knapp über dem bisherigen Meeresspiegel liegen. Sollte der regionale Pegel also um zehn Zentimeter steigen, würde sich die Hochwasserlinie je nach Gefälle automatisch um 30 bis 40 Meter landeinwärts verlagern. Bei Sturm würden die Wellen dann noch viel weiter den Küstenbereich hinaufrollen – es sei denn, steile Klippen oder Küstenschutzbauten wie Schutzmauern versperren ihnen den Weg.
Lässt man alle Hochwasserschutzmaßnahmen außer Acht und betrachtet ausschließlich die Höhen­lage der Küstenregionen, leben auf der Welt derzeit rund 360 Millionen Menschen in niedrig gelegenen Gebieten, die selbst bei einer Einhaltung des Zwei-Grad-Klimaziels im Jahr 2100 regelmäßig überflutet würden – die meis­ten von ihnen in Asien. In Vietnam beispielsweise wäre unter diesen Umständen nahezu ein Viertel der Bevölkerung betroffen; in Thailands Hauptstadt Bangkok stünden große Stadtteile dauerhaft unter Wasser, ähnlich wäre es in Shanghai.
Diese Zahl ist jedoch nur eine von vielen, denn bislang gibt es in der Wissenschaft durchaus unterschiedliche Definitionen, unter welchen Umständen Küstenbewohner als vom Meeresspiegelanstieg gefährdet gelten. Erschwert werden genauere Prognosen auch dadurch, dass man das künftige Bevölkerungswachstum in den Küstenregionen nur ungefähr vorhersagen kann und viele Küstenmetropolen absinken, weil vor Ort so viel Grundwasser aus dem Untergrund gepumpt wird. Steigt zeitgleich der lokale Meeresspiegel, nimmt das Überschwemmungsrisiko um ein Vielfaches zu.
Einig sind sich die Forscher jedoch in ihrer Einschätzung, welche Gefahr der weltweite Anstieg der Meeresspiegel darstellt. Seine negativen Folgen für die Küstenbevölkerung zu minimieren, so der Tenor, sei eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

Den Meeren geht der Sauerstoff aus

Wärmer werdendes Meerwasser dehnt sich nicht nur aus, es verliert auch Sauerstoff und somit einen der wichtigsten Grundsteine für das Leben im Ozean. Im Zeitraum von 1960 bis 2010 haben die Weltmeere mehr als zwei Prozent (rund 77 Milliarden Tonnen O2) ihres Sauerstoffgehaltes eingebüßt. Gründe dafür waren zum einen die Überdüngung der Meere – ein Prozess, der vor allem die Küstengewässer betrifft –, zum anderen können Wissenschaftler den Großteil der Sauerstoffverluste mittlerweile eindeutig auf die Meereserwärmung und somit auf den Klimawandel zurückführen.
Sauerstoff gelangt auf zweierlei Weise ins Meer: durch Gasaustauschprozesse zwischen der Atmosphäre und dem Meer an der Wasseroberfläche sowie als Abfallprodukt der Photosynthese, welche Algen und Wasserpflanzen im oberen lichtdurchfluteten Teil der Wassersäule betreiben. Trotzdem enthält ein Liter Meerwasser im Durchschnitt etwa 30-mal weniger Sauerstoff als ein Liter Luft, weshalb das Atmen unter Wasser auch Schwerstarbeit ist. Um ein Gramm Sauerstoff aufzunehmen, müssen Fische, Muscheln, Seesterne und Co. rund 152 Liter Wasser durch ihre Kiemen oder Atemorgane pumpen. Landlebewesen dagegen müssen für die gleiche Sauerstoffausbeute nur 3,6 Liter Luft einatmen.
Verbraucht wird Sauerstoff im Meer allerdings nicht nur durch Fische und andere höher entwickelte Meeresbewohner, sondern in erster Linie durch Mikroben und mehrzellige Organismen, welche bis in große Tiefe pflanzliche und tierische Überreste (organisches Material) zersetzen und dabei Sauerstoff veratmen. Je mehr Biomasse also in der lichtdurchfluteten Zone produziert wird und je mehr Algen und tierische Lebewesen absterben und herabsinken, desto mehr organisches Material steht den Mikroben zur Verfügung und desto mehr Sauerstoff verbrauchen sie. Ähnliches gilt für steigende Wassertemperaturen. Je wärmer das Meer wird, desto mehr Sauerstoff benötigen große und kleine Meeresbewohner, um alle lebenswichtigen Prozesse aufrechtzuerhalten.
Fachleute leiten aus diesen Erkenntnissen zwei wesentliche Schlussfolgerungen ab.

Abb. 2.11 nach Breitburg et al., 2018

2.11 > Niedrige oder abnehmende Sauerstoffkonzentrationen sind ein globales Problem und treten sowohl in Küstengewässern als auch im offenen Ozean auf. Diese Karte zeigt violett markiert Küstenregionen, deren Wasser weniger als zwei Milligramm Sauerstoff pro Liter Wasser (< 63 Mikromol pro Liter) enthält. Orange dargestellt ist die Verteilung der Sauerstoffminimum­zonen in einer Tiefe von 300 Metern.

Erstens: Verändern sich die chemischen oder physikalischen Grundvoraussetzungen in einer Wasserschicht – etwa durch den Eintrag von Nährstoffen oder aber Veränderungen der Temperatur oder der einfallenden Lichtmenge –, beeinflusst das die Biomasseproduktion und somit langfristig auch die sauerstoffzehrende Zer­setzung der in die Tiefe sinkenden Biomasse.
Zweitens: Wenn sauerstoffreiches Oberflächenwasser mit der Ozeanzirkulation in die Tiefe transportiert wird, ist dessen Sauerstoffkonzentration anfangs noch vergleichsweise hoch. Je länger dieses Wasser jedoch in der Tiefe verweilt, desto mehr Zeit haben Mikroben und andere Lebewesen, herunterrieselnde Partikel zu zersetzen und dabei den im Wasser enthaltenen Sauerstoff zu veratmen. Aus diesem Grund ist Tiefenwasser in der Regel eher sauerstoffarm.
Doch zurück zur Meeresoberfläche: Wie viel Sauerstoff das Meer aus der Luft aufnehmen kann, hängt von der Temperatur und vom Salzgehalt des Oberflächenwassers ab. Beide Faktoren bestimmen maßgeblich die Löslichkeit von Gasen im Wasser. Je wärmer und salziger das Meer ist, desto weniger Sauerstoff kann sich darin lösen. Steigt zum Beispiel die Temperatur des Oberflächenwassers von vier auf sechs Grad Celsius, sinkt sein Sauerstoffgehalt automatisch um fünf Prozent.
Wissenschaftler haben untersucht, wie groß in den zurückliegenden Jahrzehnten der jeweilige Einfluss von Temperaturveränderungen und eines sich ändernden Salzgehaltes auf den Sauerstoffgehalt der Meere war. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Sauerstoffverluste in den oberen 1000 Metern der Wassersäule hauptsächlich auf den zunehmenden Wärmegehalt des Ozeans zurückzuführen sind und die daraus folgende geringere Löslichkeit von Gasen im Meer. Veränderungen im Salzgehalt dagegen spielen nach Ansicht der Wissenschaftler nur eine untergeordnete Rolle.
Auf die gesamte Wassersäule gerechnet aber machen die wärme- und löslichkeitsbedingten Sauerstoffverluste nur 15 Prozent aus. Die restlichen 85 Prozent werden dadurch verursacht, dass sich sowohl die Meeresströmungen als auch die Durchmischungstiefe des Ober­flächenwassers verändern.

Abb. 2.12 nach Laffoley und Baxter, 2019

2.12 > Die Sauerstoffabnahme im offenen Meer wird in erster Linie durch steigende Wassertemperaturen hervorgerufen. Sie bewirken, dass sich weniger Sauerstoff im Wasser löst und Oberflächen- und Tiefenwasser nicht mehr ausreichend durchmischt werden. In Küstengewässern dagegen führen hohe Nährstoffeinträge zu einem starken Algenwachstum, bei dessen Abbau anschließend Mikroorganismen allen Sauerstoff aufbrauchen.

Abb. 2.13: Alan Duncan

2.13 > Temperaturbedingte Grenzen zwischen ­Wassermassen lassen sich manchmal auch mit bloßem Auge erkennen: Auf diesem Bild schwimmen Stachel­makrelen und Hochrücken-Füsiliere knapp über ­deutlich kälterem Tiefenwasser.

Die Wassermassen an der Meeresoberfläche werden durch den direkten Gasaustausch mit der Atmosphäre belüftet. Dieser Prozess funktioniert so gut, dass das Oberflächenwasser seiner Temperatur entsprechend quasi immer sauerstoffgesättigt ist. Das heißt, es besitzt die maximal mögliche Sauerstoffkonzentration und befindet sich diesbezüglich in einem Gleichgewicht mit der Atmosphäre. Bis in welche Tiefe dieser Zustand existiert, hängt vom Wind ab sowie von der Luft- und Wassertemperatur, welche beide je nach Jahreszeit und geografischer Breite variieren. Im Sommer, wenn Sonne und Lufttemperatur das Oberflächenwasser stark erwärmen, dehnt es sich aus und wird deutlich leichter als die darunterliegenden meist kühleren Wasserschichten. Denn grundsätzlich gilt: Je kälter und salziger eine Wassermasse ist, desto größer ist ihre Dichte und desto tiefer wird sie im Ozean eingeschichtet. Infolge dieses Dichtekontrastes zum Tiefenwasser liegt warmes Oberflächenwasser dann wie ein stabiler, warmer Deckel auf dem Meer, sodass es selbst starkem Wind nicht mehr gelingt, die Deckschicht und die darunterliegenden Wassermassen miteinander zu vermischen. Das sauerstoffreiche Wasser verbleibt also an der Meeresoberfläche und gelangt nicht mehr in tiefere Schichten.

Wissenschaftler bezeichnen die Schichtung der Wassermassen aufgrund von Dichteunterschieden als Stratifikation. Da sich der Ozean von der Meeresoberfläche her erwärmt, nimmt diese als unmittelbare Folge der Meereserwärmung zu und verhindert den Wasseraustausch zwischen Meeresoberfläche und den darunterliegenden Schichten in einem immer größeren Maß. In einigen Regionen der Welt wird die temperaturbedingte Stratifikation der oberen Wasserschicht noch zusätzlich verstärkt; so zum Beispiel in den Polarregionen, wo die Schneedecke, Gletscher und Eisschilde in zunehmendem Maß schmelzen und ihr Schmelzwasser das Meer an seiner Oberfläche aussüßt. Den gleichen Effekt beobachten Wissenschaftler in jenen Meeres- und Küstengebieten, in denen im Zuge des Klimawandels mehr Niederschlag fällt.

Wie Schmelzwasser ist auch Regenwasser nichts anderes als Süßwasser, welches das Oberflächenwasser der Meere verdünnt, es somit weniger salzig und demzufolge leichter macht.
Für die Belüftung der Stockwerke unterhalb der vom Wind durchmischten Deckschicht ist das sogenannte thermohaline Förderband der Meeresströmungen zuständig. Es transportiert die Wassermassen der Ozeane wie eine Art Förderband durch alle großen Ozeanbecken. Dieses Förderband bewegt sich aufgrund von Unterschieden in der Temperatur und im Salzgehalt der Wassermassen, weshalb Fachleute auch von einer thermohalinen Zirkulation sprechen (thermo: angetrieben durch Temperaturunterschiede; halin: angetrieben durch Unterschiede im Salzgehalt).

Abb. 2.14 nach Laffoley und Baxter, 2019

2.14 > Die Lage, Größe und Verteilung sauerstoffarmer Zonen hängen eng von den Meeresströmungen ab. Diese Karte zeigt die vom Wind angetriebenen Strömungen der subtropischen Wirbel und des Antarktischen Zirkumpolarstroms sowie das Förderband der dichtegetriebenen thermohalinen Zirkulation.

Der Klimawandel beeinträchtigt allerdings auch deren Funktionsweise, denn je wärmer und leichter die Wassermassen an der Meeresoberfläche werden, desto langsamer geht die Umwälzbewegung der thermohalinen Zirkula­tion vonstatten. Gemeint ist das Abkühlen und Absinken gigantischer Wassermassen in den mittleren Breiten, wo das sogenannte Zwischenwasser entsteht, sowie in der Arktis und Antarktis, wo sich schweres, sauerstoffreiches Tiefenwasser bildet. Letzteres fließt aus den Polarregionen zurück Richtung Äquator und belüftet dabei den tiefen Ozean. Das Zwischenwasser dagegen versorgt die mittleren Schichten des Meeres mit Sauerstoff.
Mittlerweile gibt es aus vielen Teilen der Welt Hinweise darauf, dass das Förderband der thermohalinen Zirkulation im Zuge des Klimawandels langsamer wird. Demzufolge gelangt nicht nur weniger sauerstoffreiches Oberflächenwasser in größere Tiefen; auf ihrer Wanderung durch die Ozeane verbringen die einzelnen Wassermassen insgesamt auch mehr Zeit in der mittleren und unteren Etage des Meeres. In beiden Stockwerken aber zersetzen Mikroben und Kleinstlebewesen weiterhin Partikel und veratmen Sauerstoff, was dazu führt, dass der Sauerstoffgehalt des Zwischen- und Tiefenwassers weiter sinkt.

Abb. 2.15 nach Schmidtko et al., 2017

2.15 > Seit dem Jahr 1960 hat der Sauerstoffgehalt der Meere um mehr als zwei Prozent abgenommen. Diese Karte zeigt, in welchen Regionen die Sauerstoffkonzentration besonders stark gesunken ist.

Wie diese Entwicklung künftig weitergehen wird, haben deutsche Wissenschaftler in Klima-Ozean-Modellen berechnet. Ihr Ergebnis: Die wärmebedingte Verlangsamung der globalen Meereszirkulation wird künftig für die Hälfte aller Sauerstoffverluste in den oberen 1000 Metern der Wassersäule verantwortlich sein. Im tiefen Ozean, also unterhalb der 1000-Meter-Marke, werden sogar 98 Prozent der Verluste auf die abnehmende thermohaline ­Zirkulation zurückzuführen sein.

In den zurückliegenden 50 Jahren ist die Gesamtfläche sogenannter Sauerstoffminimumzonen im offenen Ozean, in denen Fische nicht mehr genügend Sauerstoff zum Atmen haben, um etwa 4,5 Millionen Quadratkilometer angewachsen. Dieses Plus entspricht in etwa der Fläche der Europäischen Union. Im selben Zeitraum hat sich die Menge des anoxischen, das heißt des komplett sauerstofffreien Wassers vervierfacht. Den Ozeanen geht im Zuge des Klimawandels also im wahrsten Wortsinn die Luft aus. Das Fatale an dieser Entwicklung ist jedoch, dass sich die wärmebedingten Sauerstoffverluste des Meeres nicht einfach stoppen und umkehren lassen. Selbst wenn es der Menschheit gelingen sollte, ihre Treibhausgasemissionen nach den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens zu reduzieren und künftig emissionsneutral zu leben, würde es mehrere Jahrhunderte dauern, bis die Treib­hausgaskonzentration sinkt, sich die Atmosphäre und der Weltozean abkühlen und der Sauerstoffgehalt der Meere wieder auf das vorindustrielle Niveau ansteigt.

Abb. 2.16 nach Laffoley und Baxter, 2019

2.16 > Auf dem offenen Meer nimmt der Sauerstoffgehalt des Wassers mit zunehmender Tiefe ab. Grund ist der Sauerstoffverbrauch der Mikroorganismen.

Treibstoff für Hurrikane und Starkregen

Im Ozean und seinen Nebenmeeren zirkulieren 97 Prozent allen flüssigen Wassers auf der Erde, was sie zum wichtigsten Reservoir des globalen Wasserkreislaufes macht. Über den Ozeanen verdunsten pro Jahr schätzungsweise 420 000 Kubikkilometer Wasser. Etwa 90 Prozent dieser Feuchtigkeit kehrt im Anschluss in Form von Regen oder Schnee direkt wieder ins Meer zurück. Die restlichen zehn Prozent aber wandern in Form von Wasserdampf oder Wolken über die Kontinente und regnen dort ab. Auf dem Rückweg ins Meer machen sie dann oft noch Zwischenstation – etwa als Wassertropfen, der einer Pflanze zum Wachstum verhilft, oder aber als Sickerwasser, welches dazu beiträgt, einen Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen.

Irgendwann aber kehrt auch dieses Wasser ins Meer zurück. Wie viel Wasser über dem Meer verdunstet und sich damit auf die Reise begibt, hängt abermals von der Luft- und Wassertemperatur ab. Je weiter sich die Atmosphäre nämlich erwärmt, desto mehr Wasserdampf kann sie speichern (sieben Prozent mehr Feuchtigkeit pro ein Grad Celsius Erwärmung). Und je wärmer das Meerwasser ist, desto einfacher verdunstet es an seiner Oberfläche. Im Zuge des Klimawandels verändern sich demzufolge wichtige Verteilungsmuster innerhalb des Wasserkreislaufes. Höhere Verdunstungsraten über dem Meer verstärken zum Beispiel die Intensität von Starkregenereignissen, die sich zumeist über dem Ozean zusammenbrauen. Das heißt, im Zuge eines solchen extremen Wetterereignisses fällt heutzutage deutlich mehr Regen, als dies früher der Fall war. Beispielgebend dafür war unter anderem der Tropensturm Imelda, der Mitte September 2019 über den Süd­osten des US-Bundesstaates Texas hinwegzog und aufgrund seiner außergewöhnlich hohen Niederschläge große Überschwemmungen auslöste. Am zweiten und dritten Sturmtag fielen im Sturmzentrum jeweils bis zu 500 Liter Regen pro Quadratmeter – eine Niederschlagsmenge, wie sie die Küstenregion von Texas sonst nur einmal in 50 Jahre erlebt

Abb. 2.17 nach Fischer und Knutti, 2015

2.17 > Je wärmer Atmosphäre und Meer sind, desto mehr Wasser verdunstet und desto größer ist die Gefahr von Starkregen. Die Karte zeigt, um wie viel wahrscheinlicher Starkregenereignisse werden würden, wenn die Welt eines Tages drei Grad Celsius wärmer wäre als zur vorindustriellen Zeit.

Rund 1000 Menschen mussten evakuiert werden, fünf Menschen starben, mehr als 10 000 Autos wurden durch die Regenfälle und Überschwemmungen beschädigt. Für 13 Landkreise mit insgesamt 6,6 Millionen Einwohnern wurde der Notstand ausgerufen.
Klimaforscher sammelten im Anschluss an dieses Extremereignis alle verfügbaren meteorologischen Daten aus der Region – aktuelle Wetterangaben ebenso wie historische Aufzeichnungen, die mindestens 80 Jahre zurückreichten. Anschließend berechneten sie mithilfe von Klimamodellen, in welchem Maß der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und Niederschlagsintensität des Sturmes erhöht hat. Ihre Analyse ergab, dass im Vergleich zum Jahr 1900 die Gefahr eines solchen zweitägigen Starkregens um den Faktor 1,6 bis 2,6 gestiegen war; die Regenintensität hatte um neun bis 17 Prozent zugenommen. Die Studie sei ein weiterer Beleg dafür, dass der Klimawandel entlang der US-amerikanischen Golfküste zu steigenden Niederschlagsmengen bei Extremwetterereignissen führe, schlussfolgerten die Forscher am Ende.
Solche sogenannten Zuordnungsstudien (englisch: extreme event attribution oder auch attribution research) sind ein noch relativ junges Forschungsfeld innerhalb der Klimawissenschaften. Seit knapp 20 Jahren versuchen Forscher herauszufinden, welchen Anteil der menschengemachte Klimawandel an Extremereignissen wie Dürren, Hitzewellen, Stürmen und Überflutungen hat. Oft vergleichen sie dabei die Beobachtungsdaten eines Extremereignisses mit zwei Sorten von Klimasimulationen – eine in einer Welt ohne vom Menschen verursachte Treibhausgasemissionen und eine zweite, welche unser heutiges Klima realistisch abbildet.

Abb. 2.19 nach Gimeno et al., 2014

2.19 > Atmosphärische Flüsse sind Luftströmungen, die in etwa so viel Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf transportieren, wie mancher Fluss an Wasser führt – daher auch die Bezeichnung. Die hier gezeigte Strömung verursachte im November 2009 extremen Regen in Großbritannien.

Mittlerweile gibt es mehr als 350 Einzelstudien, die von Experten begutachtet wurden und in Fachmagazinen erschienen sind. Die meisten von ihnen liefern neue ­Anhaltspunkte dafür, dass menschliches Handeln die Wahrscheinlichkeit oder aber die Intensität extremer Wetterereignisse erhöht. In einer Überblicksstudie aus dem Jahr 2020 zeigen Experten auf, dass der menschengemachte Klimawandel in 78 Prozent der insgesamt untersuchten Extremereignisse deren Wahrscheinlichkeit oder Intensität erhöht hat. Auslöser waren in den meisten Fällen steigende Temperaturen infolge der hohen Treibhausgasemissionen. Betrachtet man nur die Studien zu Starkregenereignissen und Überflutungen, fiel das Ergebnis nicht ganz so eindeutig aus. Hier konnte in lediglich 54 Prozent der Studien ein Fingerabdruck des Klimawandels nachgewiesen werden.
Der Weltklimarat geht in seinem neuesten Bericht ebenfalls davon aus, dass sich die Niederschlagsmuster in vielen Regionen der Welt verändern werden. Extreme wie Starkregen oder aber lang anhaltende Trockenheit werden häufiger auftreten und intensiver ausfallen. Zu-nehmen werden außerdem die jahreszeitlichen Unterschiede in der Niederschlagsmenge. Das heißt, es wird in einigen Regionen seltener regnen. Wenn dann aber mal Niederschlag fällt, wird der Himmel seine Schleusen öffnen und innerhalb kurzer Zeit mehr Wasser herabregnen lassen, als die lokale Bevölkerung dies bislang gewohnt ist. Die Überflutungsgefahr steigt, denn tropische und außertropische Stürme werden mehr Feuchtigkeit im Gepäck haben.

Gleiches gilt für die sogenannten atmosphärischen Flüsse (englisch: atmospheric rivers). Als solche werden lange, meist 400 bis 600 Kilometer breite Bänder feuchtigkeitsgesättigter Luft bezeichnet, die Luftfeuchtigkeit (Wasserdampf) aus den Tropen in die mittleren Breiten transportieren – und das sowohl über dem Pazifischen Ozean als auch über dem Atlantischen Ozean. Die meis­ten atmosphärischen Flüsse sind für den normalen, saisonal typischen Regenfall an den Westküsten Nord- und Südamerikas sowie in Grönland und auf den Britischen Inseln verantwortlich. Im US-Bundesstaat Kalifornien bringen sie 25 bis 50 Prozent des Jahresniederschlages. Atmosphärische Flüsse können aber auch Extremereignisse verursachen, vor allem wenn ihre wassergeladenen Luftmassen an der US-Westküste auf Gebirge treffen und gezwungen sind, aufzusteigen. In diesem Fall treten besonders häufig schwere Regenfälle mit Überschwemmungen auf. Sollten die Luftmassen der atmosphärischen Flüsse wärmer werden, steigt auch die Menge an Feuchtigkeit in ihrem Gepäck. Forscher gehen deshalb davon aus, dass im Zuge des Klimawandels auch die Intensität der von ihnen verursachten Regenfälle zunehmen und die Überschwemmungsgefahr steigen wird.

Abb. 2.20 NOAA

2.20 > Der tropische Wirbelsturm Imelda trifft am 17. September 2019 auf die Golfküste des US-Bundesstaates Texas. Wenig später regnet es in Teilen von Texas so stark, dass Imelda in der Rangliste der niederschlagsreichsten tropischen Wirbelstürme über den USA Platz sieben einnimmt.

Intensivere Starkregen sind eine Folge der Meeres-erwärmung; es gibt aber noch eine zweite Folge: Forscher können mittlerweile belegen, dass die steigenden Wassertemperaturen an der Meeresoberfläche die Zerstörungskraft großer tropischer Stürme verstärken. Das Wirkungsprinzip ist dabei ganz einfach: Hurrikane, Zyklone und Taifune beziehen ihre Energie aus der Temperatur des Meeres unter ihnen – je wärmer das Wasser, desto höhere Windgeschwindigkeiten kann der Sturm entwickeln und desto größer wird seine Zerstörungskraft, wenn er auf Land trifft. Klimamodelle hatten diese Wechselwirkung schon lange aufgezeigt. Den Einfluss des Klimawandels jedoch auch durch Beobachtungen zu verifizieren, das gelang erst im Jahr 2020.
US-amerikanische Wissenschaftler werteten dazu Satellitenaufnahmen von Wirbelstürmen der zurückliegenden 40 Jahre aus und konnten zeigen, dass mit steigender Meerestemperatur auch die Wahrscheinlichkeit zunahm, dass sich ein aufziehender Wirbelsturm in einen zerstörerischen Monstersturm der Kategorie 3 oder höher entwickelte. Die Zerstörungskraft tropischer Wirbelstürme wird nach der Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala bewertet (englisch: Saffir-Simpson hurricane wind ­scale, SSHWS). Diese leitet das mögliche Schadenspotenzial eines Wirbelsturmes von seiner Windgeschwindigkeit ab und ordnet ihn einer von fünf Kategorien zu. Alle Stürme mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 178 Kilometern pro Stunde (Kategorie 3) gelten demnach als sehr zerstö­rerischer Hurrikan (englisch: major hurricane).

Abb. 2.21 nach Hobday et al., 2016

2.21 > Als Hitzewellen bezeichnen Wissenschaftler Phasen, in denen die Wassertemperatur eines Meeresgebietes an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen über einem bestimmten Temperaturgrenzwert liegt. Dieser Grenzwert verändert sich mit der Jahreszeit und wird statistisch berechnet.

Mehr Verdunstung und mehr Niederschlag ziehen aber auch Veränderungen an der Meeresoberfläche nach sich, insbesondere was den Salzgehalt betrifft. In Regionen, in denen künftig mehr Wasser verdunstet, als durch Regenfälle wieder hinzukommt, wird das Ober­flächenwasser salziger – zum Beispiel im tropischen Teil des Atlantiks und im Mittelmeer. Dort jedoch, wo die Niederschläge größer sein werden als die Verdunstung, wird das Oberflächenwasser aussüßen. Das heißt, sein Salz­gehalt wird langfristig abnehmen. Klimaprojektionen zufolge wird Letzteres vor allem im Pazifischen Ozean sowie im Arktischen Ozean der Fall sein.

Zusatzinfo Der Ozean versauert

Marine Hitzewellen

Ein weiteres Extremereignis, welches inzwischen häufiger auftritt und regelmäßig neue Rekordmarken setzt, sind sogenannte marine Hitzewellen. Als solche bezeichnen Fachleute Phasen, in denen das Wasser in einem bestimmten Meeresgebiet an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen außergewöhnlich warm ist. Im zurückliegenden Jahrzehnt dokumentierten Wissenschaftler solche Phasen sowohl im offenen Ozean als auch in den Randmeeren und Küstenregionen. Es gab sie im Sommer ebenso wie im Winter, denn ausschlaggebend ist keine bestimmte Temperaturmarke, sondern immer nur die Antwort auf die Frage: Um wie viel Grad Celsius wärmer ist die Wassertemperatur an einem Ort im Vergleich zum Durchschnittswert, der sonst zur selben Jahreszeit an ­diesem Ort gemessen wurde?
Hitzewellen machen häufig Schlagzeilen, weil sie die Lebensgemeinschaften in den betroffenen Meeresre­gionen nachhaltig beeinflussen. Prominente Beispiele des zurückliegenden Jahrzehnts sind die Hitzewelle entlang der Westküste Australiens im Jahr 2011, die Mittelmeer-hitzewellen von 2012 und 2015 sowie die weltweit als „The Blob“ bekannt gewordene Hitzewelle im Nordpazifik, welche sogar von 2014 bis 2016 andauerte.
Auslöser solcher Warmwasserblasen können ganz unterschiedlicher Art ein. Oft beteiligt sind Meeresströmungen, die außergewöhnlich warmes Wasser irgendwo konzentrieren. Marine Hitzewellen entstehen aber auch infolge starker Sonneneinstrahlung und hoher Lufttemperaturen. Winde heizen sie unter bestimmten Umständen an; bei anderer Ausgangslage wiederum können Luftbewegungen eine Hitzewelle auch unterdrücken. Außerdem weiß man mittlerweile, dass große Klimazyklen wie zum Beispiel das El-Niño-Phänomen die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen in bestimmten Meeresregionen beträchtlich erhöhen.
Viel entscheidender für die künftige Bilanz aber ist die generelle Erwärmung der Weltmeere im Zuge des Klimawandels. Sie macht das Auftreten von großen Hitzewellen immer wahrscheinlicher, worunter vor allem Meeresbewohner mit geringer Wärmetoleranz stark leiden. Diese stoßen immer häufiger an ihre Temperaturgrenze. Das heißt, ihre Anpassungs- und Überlebenschancen sinken. Die Arten wandern entweder in andere Gefilde ab – oder aber sie sterben aus. Andere Möglichkeiten gibt es für sie nicht.
Auf lange Sicht bedeutet diese Entwicklung grund­legende Veränderungen in den Lebensgemeinschaften des Meeres und somit auch in den Ökosystemfunktionen der Ozeane.

Keine verlässliche Konstante mehr

Heutzutage verändert der Klimawandel die Weltmeere auf eine Weise, wie die Menschheit es noch nie erlebt hat. Infolge der globalen Erwärmung steigen die Wassertemperaturen kontinuierlich, die Meeresspiegel ebenso – beides sind die deutlichsten marinen Indikatoren der globalen Erwärmung. Gleichzeitig verliert der Ozean Sauerstoff in immer größeren Tiefen und versauert flächendeckend und in einem zunehmenden Maß. Diese physikalischen und chemischen Veränderungen wirken sich unmittelbar auf eine Vielzahl der ozeanischen Ökosystemleistungen aus – etwa auf seine Funktion als verlässlicher Wetterregulator. Durch die Verlagerung windgetriebener Meeresströmungen Richtung Pol etwa gelangt die Wärme des Meeres mittlerweile viel weiter in den Norden und Süden, als dies früher der Fall war, und beeinflusst das Wetter in jenen Regionen. Das Stressorentrio aus Meereserwärmung, Versauerung und Sauerstoffabnahme verändert aber auch die Rahmenbedingungen des Lebens im Meer. Es reduziert die Fähigkeit des Ozeans, Biomasse zu produzieren, und verstärkt die schädliche Wirkung direkter menschlicher Eingriffe in einem Maß, dass das Überleben der marinen Artengemeinschaften vielerorts auf dem Spiel steht.

(Erstautor nicht bekannt)

KLIMAWANDEL: Ozeane inzwischen deutlich wärmer

Die Weltmeere waren einer aktuellen Analyse zufolge im vergangenen Jahr so warm wie nie zuvor seit Beginn der globalen Erfassung. Die Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel beschleunige sich zudem, warnt ein Team von 14 Wissenschaftlern aus 11 Instituten verschiedener Länder. Die vergangenen zehn Jahre hätten die höchsten Temperaturen der Meere seit den 1950er-Jahren gebracht, wobei die jüngsten fünf Jahre die jeweils wärmsten gewesen seien, geht aus der Untersuchung hervor, die im Fachmagazin «Advances in Atmospheric Sciences» vorgestellt wird.

Die Wissenschaftler verbanden ihre Warnung mit einem Aufruf zum Handeln, den Klimawandel zu stoppen. Die Folgen seien katastrophal. Steigende Meerestemperaturen führten zu Wetterextremen wie Wirbelstürmen und heftigen Niederschlägen. Auch seien sie einer der Hauptgründe dafür, dass es zu verheerenden Waldbränden wie gerade in Australien sowie in Kalifornien und im Amazonas-Gebiet komme. In den Meeren drohten Sauerstoffarmut, Schäden für Fische und andere Lebewesen.

Thermische Ausdehnung lasse den Meeresspiegel ansteigen. Die Meerestemperatur bis in zwei Kilometer Tiefe habe im vergangenen Jahr um etwa 0,075 Grad über dem Durchschnitt von 1981 bis 2010 gelegen, heißt es in dem Papier, das führend von Cheng Lijing vom Institut für atmosphärische Physik (IAP) an Chinas Akademie der Wissenschaften (CAS) geschrieben wurde. Die enorme Menge an Energie in Form von Wärme, die der Mensch über den Klimawandel in den vergangenen 25 Jahren in die Ozeane gesteckt habe, entspreche 3,6 Milliarden Atombombenexplosionen vom Ausmaß wie im japanischen Hiroshima.

Die Forscher nutzten relativ neue Methoden des Instituts, um die Daten für die Erwärmung bis in 2000 Meter Meerestiefe zusammenzufassen. «Es ist wichtig zu verstehen, wie schnell sich die Dinge verändern», sagte John Abraham, Ko-Autor und Professor an der University of St. Thomas in den USA. «Wer die globale Erwärmung verstehen will, muss die Meereserwärmung messen.» So seien seit 1970 mehr als 90 Prozent der Erderwärmung in die Ozeane geflossen, während nur vier Prozent die Landfläche und die Atmosphäre erhitzt hätten. «Die globale Erwärmung ist real, und es wird schlimmer», sagte Abraham. «Und das ist erst die Spitze des Eisbergs von dem, was noch kommt.» Die Menschheit könne aber etwas tun: «Wir können unsere Energie klüger nutzen, und wir können unsere Energiequellen diversifizieren», sagte der Forscher. «Wir haben die Macht, dieses Problem zu verkleinern.»

Die Meere werden nach Angaben der Forscher allerdings lange brauchen, um auf Veränderungen zu reagieren. «Es ist wichtig, festzustellen, dass die Meereserwärmung voranschreitet, selbst wenn die weltweite Lufttemperatur an der Oberfläche bei oder unter zwei Grad stabilisiert werden kann», heißt es in dem Beitrag unter Hinweis auf die angestrebten Ziele des Pariser Klimaabkommens. Die Ozeane reagierten wesentlich langsamer. «Aber das Tempo und das Ausmaß der Meereserwärmung und die damit verbundenen Risiken nehmen mit weniger Treibhausgasemissionen zumindest ab.»

(mfe)

Source: Die fatalen Folgen der Wärme « World Ocean Review
KLIMAWANDEL: Ozeane inzwischen deutlich wärmer – YouTube

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