Seit wann gibt es Laut-Kommunikation?

Auch die als lebende Fossilien geltenden Brückenechsen geben Laute von sich.
© Gabriel Jorgewich Cohen

Es wird gequakt, gezwitschert – und gesprochen: Wann das Grundkonzept der akustischen Kommunikation in der Evolutionsgeschichte der Landwirbeltiere entstanden ist, beleuchtet nun eine Studie: Forscher haben bei einigen bisher für stumm gehaltenen Tieren Lautäußerungen festgestellt und diese neuen Informationen in den Stammbaum des Lebens eingeordnet. Dabei zeichnete sich ab, dass die grundlegenden Fähigkeiten zur akustischen Kommunikation wohl eher nicht mehrmals parallel entstanden sind, sondern auf gemeinsame Vorfahren der Landwirbeltiere und Lungenfische zurückgehen, die vor mehr als 400 Millionen Jahren existierten.

Viele Tiere sind kaum zu überhören, doch die akustische Kommunikation ist noch deutlich weiter verbreitet, als man meinen könnte: Während einige tatsächlich als stumm gelten, geben viele eher still wirkende Reptilien, Amphibien und andere Vertreter der Wirbeltiere durchaus in bestimmten Situationen Laute von sich. Die akustischen Signale spielen dabei unterschiedliche Rollen: Sie können etwa der Partnersuche, der elterlichen Fürsorge oder als Warnsignal dienen. Trotz ihrer Bedeutung ist allerdings wenig darüber bekannt, wann und in welchem Stadium der Evolutionsgeschichte diese Konzepte erstmals bei den sogenannten Choanata aufgetreten sind. Dieser Begriff schließt neben den Landwirbeltieren auch die Vertreter der Lungenfische mit ein.

Wann ertönten erstmals Laute?

Zu den evolutionären Ursprüngen der Lautkommunikation bei den Choanata gibt es zwei Erklärungsansätze: Zum einen scheinen parallele Entwicklungen möglich. Dabei werden die teils deutlichen Unterschiede zwischen den Strukturen des Hörapparats sowie des Vokaltrakts als Hinweis betrachtet, dass sich die akustische Kommunikation mehrfach und unabhängig voneinander in verschiedenen Tiergruppen entwickelt hat. Die alternative Hypothese besagt dagegen, dass die akustische Kommunikation einen alten gemeinsamen Ursprung besitzt. Dafür sprechen wiederum manche morphologische und neuronale Gemeinsamkeiten und auch, dass bei den Choanata stets das Lungen-Atmungssystem die physische Quelle für die verschiedenen Lauterzeugungs-Konzepte bildet.

Eine Ursache für das bisher unklare Bild von der Entwicklungsgeschichte war, dass Informationen über die Lautkommunikation bei einigen Schlüsseltiergruppen fehlten, sagen die Wissenschaftler um Gabriel Jorgewich-Cohen von der Universität Zürich. In vergleichenden Analysen zeichneten sich deshalb keine deutlichen Hinweise über die evolutionären Wurzeln der akustischen Kommunikation ab. Deshalb hat das Team nun für neue Datengrundlagen gesorgt. Sie hörten dazu Tierarten gezielt zu, die bisher noch nie akustisch untersucht wurden. Durch Aufzeichnungen der Laute und Informationen zum jeweiligen Verhalten von 53 Arten konnten die Forscher das Wissen über die Lautkommunikations-Fähigkeiten der Choanata nun entscheidend bereichern. Diese Tiere gehörten dabei zu den Gruppen der Schildkröten, Brückenechsen, Schleichenlurche und Lungenfische. Außerdem führte das Team eine Recherche in der wissenschaftlichen Literatur durch, um weitere Tierarten aus dem gesamten Spektrum systematisch zu erfassen, bei denen Lautäußerungen festgestellt wurden.

Ursprung vor über 400 Millionen Jahren

Die Untersuchungen ergaben: „Wir konnten weiter verdeutlichen, dass akustische Kommunikation bei Landwirbeltieren nicht nur weit verbreitet ist, sondern weisen solche Fähigkeiten auch in mehreren Gruppen nach, die bisher als nicht-vokal angesehen wurden“, sagt Jorgewich-Cohen. Unter anderem besitzen beispielsweise viele Schildkrötenarten, von denen man bisher annahm, sie seien stumm, in Wirklichkeit ein breites und komplexes akustisches Repertoire, berichten die Wissenschaftler.

Um auf der Basis der neuen Informationen Hinweise auf den evolutionären Ursprung zu gewinnen, kombinierten die Forscher die gesammelten Daten zu den Vokalisierungsfähigkeiten von Wirbeltierarten mit Methoden zur Rekonstruktion der stammesgeschichtlichen Entwicklung. Zusammen mit Daten von Gruppen wie Säugetieren, Vögeln und Fröschen, die bekanntermaßen akustisch kommunizieren, konnten die Wissenschaftler den phylogenetischen Stammbaum der akustischen Kommunikation nun klarer aufzeichnen als bisher.

Wie sie berichten, lassen die Ergebnisse nun den bisher vermuteten multiplen Ursprung eher wenig plausibel erscheinen: „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die akustische Kommunikation nicht mehrfach in verschiedenen Wirbeltiergruppen entwickelt hat, sondern einen gemeinsamen und alten evolutionären Ursprung besitzt“, sagt Seniorautor Marcelo Sánchez-Villagra von der Universität Zürich. „Unsere Rekonstruktionen zeigen, dass dieses Merkmal mindestens so alt ist wie der letzte gemeinsame Vorfahre der Choanata, der vor etwa 407 Millionen Jahren gelebt hat“, schreiben die Wissenschaftler.

Quelle: Universität Zürich, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41593-022-01177-4

Abb. 1: Analyse der akustischen Kommunikation des Ahnenzustands von Choanate-Wirbeltieren.

Fig. 1

Naturkommunikation (Nat Commun) ISSN 2041-1723 (online)

Der Baum umfasst 1800 choanatische Arten, die entweder mit dem Charakter Vorhandensein oder dem Fehlen einer akustischen Kommunikation versehen sind. Kreisdiagramme an den Ahnenknoten zeigen die Wahrscheinlichkeit jedes Zeichenzustands an. Farben in den Spektrogrammen repräsentieren die Schallintensität, wobei warme Farben eine hohe Intensität und kalte Farben darstellen (d. H. blau), was eine geringe Intensität oder das Fehlen von Geräuschen darstellt. Auf Zeichenzustände für jede Art kann in den ergänzenden Daten zugegriffen werden 4.

Von: Gemeinsamer evolutionärer Ursprung der akustischen Kommunikation bei Choanat-Wirbeltieren

Abb. 2: Analyse der akustischen Rekonstruktion von Ahnen und Zuständen der Schildkrötenkommunikation.

Von: Gemeinsamer evolutionärer Ursprung der akustischen Kommunikation bei Choanat-Wirbeltieren

Fig. 2

Naturkommunikation (Nat Commun) ISSN 2041-1723 (online)

Der Baum umfasst jede Schildkrötengattung, die entweder mit dem Charakter oder ohne akustische Kommunikation versehen ist. Kreisdiagramme an den Ahnenknoten geben die Wahrscheinlichkeit jedes Zeichenzustands an. Farben in den Spektrogrammen repräsentieren die Schallintensität, wobei warme Farben eine hohe Intensität und kalte Farben darstellen (d. H. blau), was eine geringe Intensität oder das Fehlen von Geräuschen darstellt. Auf Zeichenzustände für jede Art kann in ergänzenden Daten zugegriffen werden 5.

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Labertasche, Plappermaul, Sabbelbüdel – manche Menschen reden einfach viel und gerne. So kann übertriebenes Mitteilungsbedürfnis auch zur Plage werden.
Dabei ist Kommunikation lebenswichtig – und oft sogar überlebenswichtig. Das gilt auch für unsere Körperfunktionen. Würden unsere Organe und unser Gehirn nicht miteinander „reden“, dann würde gar nichts funktionieren. Wie Menschen kommunizieren also auf vielen Ebenen. Unsere Paradedisziplin ist natürlich das Sprechen.
Und auch wenn die Sprache eine rein menschliche Eigenschaft ist – Informationen werden auch im Tierreich ausgetauscht. Präriehunde – in der amerikanischen Steppe leben sie in ausgedehnten Gangsystemen. Ihre unterirdischen Städte können mehrere Quadratkilometer groß sein.
Nur zum Fressen kommen sie nach draußen – und haben sich dabei eine Menge zu erzählen. Die Tiere sind die Stars der Kommunikationsforschung. Seit 40 Jahren arbeiten Wissenschaftler der Universität von Arizona daran, die Lautäußerungen der Präriehunde zu entschlüsseln.
In der Prärie gibt es viele Feinde – und jeder erfordert spezielle Reaktionen. Eine genaue Bezeichnung ist also von Vorteil für die Tiere. So unterscheiden sich ihre Laute, wenn eine Gefahr droht. Nähert sich ein Kojote, ist ihr Warnruf ein anderer, als wenn ein Dachs sein Unwesen in der Nähe der Präriehunde treibt.
Neugeborene Präriehunde kennen diese Ausdrücke noch nicht. Sie müssen die komplexen Laute und ihre Bedeutung lernen – ähnlich wie Menschenkinder. Ob es bei den Präriehunden auch Exemplare gibt, die öfter und lauter als andere rufen, das gilt es noch zu erforschen.

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(mfe)

Source: Seit wann gibt es Laut-Kommunikation?
https://www.youtube.com/watch?v=uh2D2JTxp-4

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