Singvögel riechen, wo’s langgeht

Forscher haben die Bedeutung des Geruchssinns für die Orientierung von Kohlmeisen untersucht.
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Sie haben scharfe Augen – doch inwieweit nutzen Singvögel auch ihren Geruchssinn, um sich zu orientieren? Eine experimentelle Studie zeigt nun: Kohlmeisen, die nicht riechen können, finden sich in ihrem heimischen Umfeld vergleichsweise schlecht zurecht. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Bedeutung des Geruchssinns bei Singvögeln bisher unterschätzt wurde, sagen die Wissenschaftler.

Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen – mit diesen „Antennensystemen“ gewinnen Tiere lebenswichtige Informationen über ihre Umwelt. Je nach Art haben bestimmte Sinne dabei bekanntlich eine mehr oder weniger große Bedeutung. Für uns sind Seh- und Hörsinn besonders wichtig. Bei Hunden und vielen anderen Tieren spielt hingegen der Geruchssinn eine herausragende Rolle. Allerdings haben Studien auch bereits gezeigt, dass bei Mensch und Tier häufig mehrere Sinne gemeinsam zu einem Gesamtbild eines Eindrucks beitragen. In diesem Zusammenhang richten die Forscher um Katharina Mahr vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung in Wien nun den Blick auf die Vögel.

Orientieren sich Singvögeln an Gerüchen?

Lange nahm man an, dass für diese Tiergruppe das Riechen kaum eine Rolle spielt. Doch das ist bereits klar widerlegt: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass bei vielen Vogelarten die Wahrnehmung von Substanzen in der Luft eine erhebliche Bedeutung bei der Partnersuche, der Gefahrenerkennung und auch bei der Orientierung besitzt. Beispielsweise wurde bei Zugvögeln oder auch bei Tauben gezeigt, dass sie sich bei der Orientierung über längere Strecken hinweg unter anderem auch von geruchlichen Informationen leiten lassen. Dennoch ist die Bedeutung des Geruchssinns von Vögeln bei der Orientierung noch vergleichsweise wenig erforscht – vor allem gilt dies für die Singvögel, sagen Mahr und ihre Kollegen. Orientieren sie sich in ihrem angestammten Lebensraum nur über den Sehsinn oder spielen auch Gerüche eine Rolle?

Dieser Frage sind die Forscher durch Untersuchungen an einem der bekanntesten Singvögel unserer heimischen Vogelwelt nachgegangen. Die Kohlmeise (Parus major) ist auch im urbanen Umfeld zuhause und vor allem im Winter ein häufiger Gast an Futterstellen in Gärten. Diese Art eignete sich damit gut, um zu untersuchen, ob Singvögel Gerüche aus der Umwelt nutzen, um zu Futterstellen zurückzufinden. Für die Studie hat das Team insgesamt 112 Kohlmeisen an Futterstellen in ihrem angestammten Lebensräumen eingefangen. Nur bei der einen Hälfte der Vögel wurde dann der Geruchssinn durch eine Behandlung mit Zinksulfat betäubt. Diese Wirkung hält einige Tage an, hinterlässt aber keine bleibenden Schäden. Danach ließen die Forscher einen Teil der Vögel in einer Entfernung von 400 Metern vom Einfangort wieder frei – eine andere Gruppe wurde in einer Distanz von 1,5 Kilometern ausgesetzt.

Riechende Vögel finden schneller zurück

Zunächst zeigte sich die offenbar ausschlaggebende Bedeutung des Sehsinns: Etwa gleich viele Kohlmeisen mit gestörtem Geruchssinn wie Kontrolltiere kamen letztlich zu den Futterstellen zurück. „Dieses Ergebnis war nicht wirklich überraschend, da wir die Tiere innerhalb ihrer vertrauten Umgebung wieder ausgelassen haben,“ sagt Mahr. Doch die Vögel mit gestörtem Geruchssinn fanden sich auffallend verspätet wieder an den Futterstellen ein, zeichnete sich in den Auswertungen ab. Dass sich der Geruchssinn offenbar auf die Orientierungsfähigkeit auswirkt, spiegelte sich dabei auch in einer überproportional verstärkten Verzögerung bei einem Teil der Versuchstiere wider: „Der Effekt kam besonders zur Geltung, wenn die Vögel in größerer Entfernung ausgesetzt wurden“, berichtet Mahr.

Die Forscher schließen aus diesen Ergebnissen, dass der Geruchssinn zwar nicht die maßgebliche, aber doch eine wichtige Komponente im Orientierungssystem darstellt: „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Gerüche in einer vertrauten Umgebung trotz visueller Anhaltspunkte als wichtige Informationsquelle zur Orientierung dienen“, sagt Mahr. Die konkreten Informationsquellen, anhand derer sich die Vögel durch die Gegend schnüffeln, bleiben zwar unklar. Aber es liegt vieles in der Luft, das möglicherweise auch anhand eines Konzentrationsgefälles der Orientierung dienen könnte.

„Ursprünglich wurden ähnliche Ergebnisse bereits bei Zugvögeln erlangt. Aber insbesondere für Arten wie Kohlmeisen, die im Winter oft in den Brutgebieten bleiben, könnte die Orientierung und Navigation mittels Geruchs helfen, die Nahrungssuche in Zeiten mit wenig Futterangebot, also beispielsweise im Winter, zu optimieren“, sagt Seniorautor Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung. Ihm zufolge unterstreicht die Studie die oft unterschätzte Bedeutung des Geruchssinns von Vögeln: Für viele Vogelarten könnte diese Informationsquelle offenbar auch bei der Orientierung von größerer Bedeutung sein als bisher angenommen.

Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien, Fachartikel: Frontiers in Ecology and Evolution, doi: 10.3389/fevo.2022.858981

Der geheime Trick der Zugvögel

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Zugvögel reisen jedes Jahr tausende Kilometer in den Süden und nehmen dabei unglaubliche Strapazen auf sich. Doch woher kennen sie eigentlich den Weg? Dieses Video ist eine Produktion des ZDF, in Zusammenarbeit mit Colourfiled.
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(mfe)

Source: Singvögel riechen, wo’s langgeht
Der geheime Trick der Zugvögel – YouTube

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