KLIMAWANDEL
Immer mehr Todeszonen in Seen rund um den Globus
Wissenschafter analysierten Entwicklung von Sauerstoffkonzentration und Temperatur von fast 400 Seen weltweit
Foto: APA/Michael StabentheinerSogenannte Todeszonen kennt man vor allem aus Ozeanen. Forscher bezeichnen damit Bereiche, wo Sauerstoffmangel alles Leben am Meeresboden auslöscht. Im Golf von Mexiko beispielsweise leidet jedes Jahr im Sommer eine Region, die sich über mehr als 20.000 Quadratkilometer erstrecken kann, unter akuter Sauerstoffnot. Ursache solcher marinen Todeszonen ist in der Regel die Intensivlandwirtschaft angrenzender Landstriche.
Düngemittel sorgen dabei für eine geradezu explosive Zunahme an Algen. Sterben diese schließlich ab und sinken dem Meeresboden entgegen, entzieht der Verwesungsprozess der bodennahen Wasserschicht so viel Sauerstoff, dass der Gehalt auf weniger als zwei Teile pro Million sinkt. Tiere, die in einer solchen Todeszone gefangen sind, sterben oder werden zumindest extremem Stress ausgesetzt. Aber nicht nur die industrielle Landwirtschaft, auch die steigenden Temperaturen durch den Klimawandel leisten einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung solcher Todeszonen.
Erwärmte Seen
Der Klimawandel hat in dieser Hinsicht insbesondere Einfluss auf Süßwasserlebensräume, wie ein internationales Forscherteam mit Beteiligung eines Innsbrucker Ökologen nun nachweisen konnte: Durch die Erwärmung von Seen sinkt die Sauerstoffkonzentration, was dazu führt, dass in tieferen Schichten das meiste Leben verschwindet. Dabei nimmt der Sauerstoffgehalt in den Seen deutlich stärker ab als im Meer.
Die Wissenschafter um Kevin Rose und Stephen Jane vom Rensselaer Polytechnic Institute (USA) haben die Entwicklung von Sauerstoffkonzentration und Temperatur von 393 Seen weltweit in einem Zeitraum von über 70 Jahren untersucht und im Fachjournal “Nature” über die Ergebnisse berichtet. Durch die Klimaerwärmung wird auch die Wasseroberfläche von Seen immer wärmer – und weniger Sauerstoff kann aus der Atmosphäre in das Wasser diffundieren. “Wir beobachten diesen Trend weltweit, wollten aber auch untersuchen, was in der Tiefe der Seen passiert und wie signifikant diese Entwicklung weltweit ist”, erklärte Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck.
Schlimmer als im Meer
Der Studie zufolge ist der Sauerstoffgehalt in den untersuchten Seen seit 1980 um 5,5 Prozent an der Oberfläche und um 18,6 Prozent in tieferen Zonen gesunken. Damit ist der Sauerstoffverlust in den Seen drei- bis neunmal stärker als im Meer. Österreichische Seen wurden in der Studie nicht erfasst, es gebe hier keine sehr guten langfristigen Daten über die Sauerstoffkonzentration mit hoher zeitlicher Auflösung, sagte Sommaruga.
Der Rückgang der Sauerstoffsättigung in den oberflächennahen Wasserschichten ist auf deren immer höhere Temperatur zurückzuführen, die im Untersuchungszeitraum im Schnitt um 0,38 Grad Celsius pro Jahrzehnt anstieg. Und wärmeres Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen.
In fast einem Viertel der Seen wurde allerdings ein trotz steigender Temperaturen höherer Sauerstoffgehalt an der Oberfläche beobachtet. Das war vor allem dort der Fall, wo über Einträge aus der Landwirtschaft zusätzlich Stickstoff und Phosphor in die Seen gelangt, was zur Überdüngung und in der Folge zur verstärkten Algenbildung führt. “Algen produzieren zwar durch Photosynthese mehr Sauerstoff in der oberen Wasserschicht, sterben sie aber ab, sinken sie auf den Grund, wo die Abbauprozesse erneut viel Sauerstoff verbrauchen”, so Sommaruga.
Weniger Durchmischung
Das ist einer der Gründe für die massive Abnahme der Sauerstoffkonzentration in der Tiefe, wo die Wissenschafter übrigens keine Temperaturzunahme registriert haben. Ein anderer Grund dürfte mit den steigenden Wassertemperaturen an der Oberfläche und längeren Warmzeiten pro Jahr zusammenhängen. Dadurch kommt es zu einer stärkeren Schichtung der Seen, deren Wasser sich manchmal über lange Perioden nicht komplett mischt und der Sauerstoff nicht in die Tiefe gelangen kann.
Video: Der Sauerstoff vieler Seen sinkt rasant.
Rensselaer Polytechnic Institute